Tardi – Schwarz auf Weiß

2014
Rezension zu Tardi – Schwarz auf Weiß
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Der französische Comickünstler Jacques Tardi ist ein Modernisierer der franko-belgischen Sprechblasenkultur. Mit seinem klaren Strich - vorzugsweise mit harten schwarzweißen Kontrasten - und seinen schnörkellosen Geschichten hat er in den letzten Jahren auch bei uns viele Freunde gewonnen. Ein bereits 2006 gedrehter Dokumentarfilm kommt anlässlich einer Ausstellung in Berlin nun in die deutschen Kinos. Man lernt darin mehr als nur den Menschen Tardi kennen - und vielleicht auch zu lieben.

Fast 50 Minuten im Atelier mit Jacques Tardi - das ist ein Film, der selbst wie ein Comic funktioniert. Wie eine Bildergeschichte, die alles Unwesentliche im Dunkeln ausblendet und nur die wichtigsten Details erhellt. Filmische Konzentration ohne grelle Effekte, ohne lauten Schnitt. Tardi, so scheint es, interviewt sich selber. In Selbstgesprächen wird der Werkstattbesuch zu einem Dauerasyl an der Seite des Künstlers.

Der französische Dokumentarfilmer Pierre-André Sauvageot hat diesen Film bereits im Jahre 2006 gedreht. Erst jetzt - anlässlich einer Ausstellung in Berlin im Literarischen Colloquium - ist er in deutschen Kinos zu sehen.

Tardis Handwerk ist eine kleine, große Kunst. Es ist die Besessenheit eines mit Bleistiften, Radiergummi und Tuschepinseln arbeitenden Dokumentaristen. In vielen Phasen seines Schaffens hat Tardi den Krimi, wie man ihn von Léo Malet kennt, zu neuer Blüte verholfen. Privatdetektive wie Nestor Burma, einsame Helden und verlorene Gestalten in einer Halbwelt der Schatten, im Reich des schraffierten Nebels. Mysteriöse Groschenheftliteratur über Gossengangster - aber auf ein literariches Niveau gehoben, das weit über das comicverliebte Frankreich hinaus - auch bei uns - viele Liebhaber gefunden hat.

In einer späteren Phase hat Jacques Tardi begonnen, Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg (die seines Großvaters) zu verarbeiten. Später dann die seines Vaters, der fünf Jahre in einem Lager für Kriegsgefangene vegetierte. In dieser Periode hat ihn Dokumentarfilmer Pierre-André Sauvageot begleitet. Zwei Jahre lang. Er hat sich Zeit genommen und am Ende verdichtet. Ganz nah ist die Kamera dem Künstler Tardi gekommen. Immer sieht man ihn an seinem Schreibtisch sitzen. Er raucht eine Zigarette nach der anderen. Und während er erzählt, entstehen fast nebenbei kleine Bilder. Für einige Momente begleitet ihn die Kamera nach draussen. In der Aussenwelt geht Tardi mit dem Fotoapparat auf Szenerierecherche. Er sieht die Welt in Bildern. Der Photoshop-Filter in Tardis Hirn macht aus einem bunten Paris eine schwarz-weiße Wunderwelt.

Ein Film, der uns Schwarz und Weiss und die tausenden Schattierungen dazwischen zeigt. Wer sich auf diese 50 Minuten einlässt, erfährt viel über Tardi, eine ganze Menge über das Entstehen eines Comics und viel darüber, dass die Kunst des leichten Striches verdammt harte Arbeit ist.

Und wir lernen, dass der Dokumentarfilm und ein Comic, wie ihn Jacques Tardi erzählt, viele gemeinsame Wurzeln haben kann.

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Kinostart:16.01.2014
weitere Titel:
Tardi – Schwarz auf Weiß
Tardi in black and white
Tardi en noir et blanc
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Frankreich
Regie:Pierre-André Sauvageot
Darsteller:Jacques Tardi
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Rezensionen:

Datenstand: 28.05.2022 17:23:16Uhr