Aber das Leben geht weiter

2011
Rezension zu Aber das Leben geht weiter
Thomas Schneider
Dr. Kay Hoffmann
Filmpublizist und wissenschaftlicher Leiter im Haus des Dokumentarfilms

Dieser Dokumentarfilm von Karin Kaper und Dirk Szuszies erzählt die Geschichte einer deutschen und einer polnischen Familie, deren Wege sich am Ende des Zweiten Weltkriegs auf dramatische Weise kreuzen. Sechs Frauen aus mehreren Generationen versuchen heute eine persönliche Annäherung. Ein Film über Heimat, Krieg, Vertreibung, das Überleben in der Fremde und darüber wie die große Geschichte das Leben von Familien durcheinander wirbeln kann.

Familie Queißer wurde 1946 von ihrem Hof 25 Kilometer östlich von Görlitz vertrieben. Sie verschlug es nach Bremen. Auf ihrem Hof angesiedelt wurde die Familie Zukowska, die 1940 aus Ostpolen zur Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppt worden war und mit dem Anwesen entschädigt wird. Die beiden Familien haben sich seitdem nur 1975 einmal gesehen. Die Enkelgeneration initiiert ein neues Treffen der Frauen aus mehreren Generationen. Die Regisseurin Karin Kaper ist die Enkelin der Familie Queißer und legt ihren Film, den sie mit ihrem Partner Dirk Szuszies gedreht hat, bewusst persönlich an – manchmal fast zu viel, gerade am Anfang. Im Stil der „oral history“ bringt sie die Zeitzeuginnen zum sprechen und zeigt, dass die Geschichte sich im Kleinen spiegelt. Verzichtet wird auf jede künstliche Dramatisierung oder aufwändiges Re-Enactment. Im Mittelpunkt stehen die Geschichten und Erinnerungen der Protagonistinnen, die dramatische Erlebnisse hatten. Visualisiert werden sie mit Fotos und alten Super 8-Aufnahmen. Das Volk muss darunter leiden, was sich die Politik ausdenkt, wie es eine der Frauen formuliert wird. Doch die Devise lautet, sich durchzubeißen und das Beste aus der Situation zu machen. Von daher ist der Titel „Aber das Leben geht weiter“ programmatisch zu verstehen. 

Eine Stärke des Films ist, sich der Geschichte nach 65 Jahren zu stellen und bisherige Schweigen und Verdrängen zu überwinden. Die Frauen begegnen sich in Offenheit und Freundschaft. Jegliche Form der Ressentiments ist ihnen fremd. Es ist den Filmemachern ein Bedürfnis, allen Tendenzen in Deutschland, die eigene Verantwortung für zugefügtes Leid und Unrecht zu relativieren, eine klare Absage zu erteilen. Gefördert wurde der Film mit Mitteln der Stiftung deutsch-polnische Zusammenarbeit in Warschau. Insbesondere der Enkelgeneration ist es wichtig, aus der Geschichte zu lernen und zusammen Perspektiven für eine Freundschaft zu entwickeln.

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Kinostart:05.05.2011 in Neiße Filmfestival
19.05.2011 in Deutschland
weitere Titel:
Aber das Leben geht weiter
But Life Goes On
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch, Polnisch
Regie:Karin Kaper
Dirk Szuszies
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Rezensionen:

Datenstand: 13.05.2022 06:53:05Uhr