Gangsterläufer

2011
Rezension zu Gangsterläufer
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Mit seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm packt der Berliner Dozent und Filmemacher Christian Stahl ein gesellschaftlich heißes Eisen an: jugendliche Intensivstraftäter aus Migrantenfamilien. Darüber kann man eben mal schnell ein Buch schreiben, wie es Thilo Sarrazin tat, oder einen Film drehen, der erklären will und dafür Zeit braucht. Fünf Jahre, um es genau zu sagen.

So lange hat Christian Stahl benötigt, um "Gangsterläufer" abzuschließen. Jetzt kommt der Dokumentarfilm aus dem Berliner Stadtteil Neukölln auch erst einmal dort ins Kino. Am Anfang seines Filmes stand für Stahl ein Irrtum: "Yehya kenne ich, seit er 14 ist. Wir haben auf der Sonnenallee, Berlin-Neukölln, im selben Haus gewohnt", erinnert er sich. "Ich, allein unter Arabern. Wahnsinnig avantgardistisch kam ich mir damals vor. Yehya schleppte mir die Wasserkästen bis in den fünften Stock."

Doch der junge Palästinenser entpuppte sich als ein zugleich hochintelligenter, aber auch ebenso aggressiver Schläger. Als ein Intensivstraftäter. Über solche schreibt die Boulevardpresse. Kurzen Prozess macht man mit ihnen. Stahl ließ sich auf einen langen Prozess ein: "Ich beschloss, meinen kleinen kriminellen Freund und seine Familie mit der Kamera zu begleiten. Wohin auch immer - in den Knast, in die Flüchtlingslager von Beirut, in die parallele Welt von Neukölln und die Gedankenwelt der Gangster."

Der Film zeigt die Zerrissenheit einer Familie und speziell von Yehya. Das ist kein weichgespültes Programm. Der Inhaftierte selbst erklärt mit deutlichen Worten, woher der Name "Gangsterläufer" stammt: "Bei uns hier in Neukölln gibt’s so ein Spiel, das spielen wir jedes Wochenende mit 30, 40 Jungs. Einer ist der Fänger und die anderen laufen weg. Und wenn er einen gefangen hat, darf er ihm 30 Sekunden lang Todesschläge geben und der darf sich nicht mal wehren. Danach ist er auch Fänger und darf seine Wut an den anderen auslassen. Einer bleibt am Ende übrig, der beste. Der, den sie nicht gekriegt haben. Und das ist dann der Gangsterläufer."

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Kinostart:02.02.2012
02.02.2012 in Deutschland
weitere Titel:
Gangsterläufer
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch
IMDB: 94
Offizielle Webseite:www.gangsterlaeufer.de
Regie:Christian Stahl
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Rezensionen:

2011
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Critics Week Award
Nominiert
Datenstand: 06.05.2022 14:23:39Uhr