Myanmarket

2017
Rezension zu Myanmarket
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Eine schlechte Nachricht für die Hersteller der Blubberbrause: In Myanmar, vormals Burma, »mag niemand Coca-Cola«. Diese Erkenntnis entnehmen wir Eva Knopfs Dokumentarfilm »Myanmarket«. Zeit also, das zu ändern. Der Film zeigt, was geschieht, wenn Kommerz und Kapitalismus auf ein lange abgeschottetes Land losgelassen werden.

Das kleine asiatische Land Myanmar rückt in den letzten Wochen zunehmend in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Um die muslimische Minderheit, die Royhingya, sind blutige Kämpfe ausgebrochen – es wird von gezielten Vertreibungen und Ermordungen berichtet. Doch das ist nicht das Thema von Eva Knopfs Dokumentarfilm »Myanmarket«, der vor den Unruhen entstanden ist. »Myanmarket« zeigt das Land aus einem anderen Blickwinkel: an der Schwelle zur Konsumgesellschaft. Was bewirken der Kapitalismus und die Globalisierung in einem Land, das viele Jahrzehnte unter der Käseglocke einer Militärdiktatur vor sich hin gammelte?

Das Team lässt sich in den wilden Trubel eines Landes zwischen alten Traditionen und neuen, kapitalistischen Werten ziehen und pickt aus dem Strom der Bilder und Worte einige sehr interessante Protagonisten heraus. Zum Beispiel die junge Frau, die sagt, sie finde die Werbung, die es jetzt überall für die neuen Waren gibt, toll. »Von der Werbung lerne ich«, sagt sie allen Ernstes.

Ein so unverfälschtes, offenes Zugehen auf die Lockungen des Kommerzes hat man hierzulande wohl 1989 zuletzt erlebt, als die DDR-Bürger ihr bankrottes Land gegen Nutella, Bananen und das Versprechen auf blühende Landschaften in die Mülltonne der Geschichte warfen.

So weit ist es in Myanmar nicht gekommen. Noch nicht. Das Land hat fünf Jahrzehnte einer strengen Militärdiktatur hinter sich – aber auch seit 2011 eine völlig überraschende Öffnung hin zum Westen. Oder müsste man besser sagen: hin zum globalen Markt. Und so sind nun als Vorboten kommender Verheißungen die Marktforscher und Werbefachleute nach Myanmar gekommen. Sie wollen alles über die unbekannten Wesen wissen, die bis dahin noch auf keinem Businessplan auftauchten.

Eva Knopf, die sich auf ein tolles Team verlassen kann (vor allem die Kamera von Stefan Sick ist großartig), findet eine Geschichte, die zwischen Moderne und Tradition pendelt. Dort die Lockungen eines tollen Waschmittels; da die Einwohner eines Dorfes, die gar keine Waschmaschine haben, geschweige denn einen Herd. Hier die junge Frau, die alles, was kommen mag, mit dem Optimismus der Jugend inhaliert; dort ihre Mutter, die ihre persönliche Rolle nicht mehr tragen kann und buddhistische Nonne wird.

So ist dieser Film im besten Sinne eine hoch spannender Entdeckungsreise in ein unentdecktes Land mit unbekannten Möglichkeiten. Ein Film, der hinschaut und zuhört, der Wege findet, im Chaos eines Aufbruchs auch die Ruhe zu bewahren. Alles richtig gemacht!

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Kinostart:25.10.2017 in Deutschland
weitere Titel:
Myanmarket
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch
Offizielle Webseite:www.amafilm.de
Regie:Eva Knopf
Kamera:Stefan Sick
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Rezensionen:

Datenstand: 14.05.2022 15:15:24Uhr