Es war einmal in Nordirland (1/3)
Vom Protest zum Kampf


Im Nordirland der Nachkriegszeit werden Katholiken sozial benachteiligt und haben durch ein Wahlrecht, das Ärmere benachteiligt, auch weniger politisches Mitsprachrecht. In den 60er-Jahren werden Proteste von Seiten der Katholiken gegen dieses Ungleichgewicht häufiger.
Die protestantische Minderheit fühlt sich zunehmend bedroht und nach gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der überwiegend protestantischen Polizei Nordirlands entsendet Großbritannien Soldaten. Obwohl diese zu Anfang von beiden Seiten freundlich empfangen werden, provozieren sie dennoch die Gründung der „provisorischen IRA“ durch irische Nationalisten, die mit Waffengewalt den Anschluss an Irland erkämpfen wollen. Zeitzeugen berichten von ihrer Verstrickung in diese Spirale der Gewalt - vom Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben.
Ehemalige Mitglieder der „provisorischen IRA“, einer protestantischen Miliz und der britischen Armee erzählen von der Welle von Anschlägen, die Nordirland erschütterte. Sie gipfelt 1972 im Januar im „Bloody Sunday“, an dem 14 demonstrierende Katholiken vom Militär erschossen werden: ein Wendepunkt und gleichzeitig die „beste Werbung“ für die IRA, der sich viele oft noch sehr junge Männer anschließen. Im Juli desselben Jahres folgt ein neuer Höhepunkt der Gewalt, der „Bloody Friday“, eine großen Anschlagsserie der IRA in Belfast. Aus friedlichem Widerstand ist bürgerkriegsähnlicher Terror geworden.
Fast 30 Jahre schwelte der blutige Nordirland-Konflikt und forderte über dreieinhalbtausend Menschenleben, bis er 1998 mit dem Karfreitagsabkommen beendet wurde.
In der dreiteiligen Dokumentationsreihe „Es war einmal in Nordirland“ wird diese Geschichte von Zeitzeugen erzählt, deren Leben sich für immer verändert hat. Der ehemalige IRA-Kämpfer, der sich aus Protest im Gefängnis drei Jahre lang nicht wusch; die Polizistenwitwe, deren Mann vorm Krankenhaus erschossen wurde, als er seinen neugeborenen Sohn sehen wollte; der ehemalige Loyalist, dem die eigene Bombe unter den Händen explodierte - sie alle kommen zu Wort.
In der ARTE-Dokumentation „Es war einmal in Nordirland“ berichten Zeitzeugen über die dramatischen Ereignisse, die mehr als dreieinhalbtausend Todesopfer forderten. Die Aufarbeitung dauert an, aber noch immer stehen sich viele Menschen unversöhnlich gegenüber. Versklavt und ausgebeutet: Das war das Schicksal von mehr als 10.000 „gefallenen Mädchen“ und lediger Mütter in Irland, die zwangsweise in den berüchtigten Magdalenen-Wäschereien arbeiten mussten.
Der Dokumentarfilm „Entrechtete Frauen: Die Arbeitslager der irischen Kirche“ rekonstruiert die wahre und schockierende Geschichte eines beschämenden Systems.
Was Ende der 60er Jahre als friedliche Bürgerrechtsproteste gegen die Benachteiligung der irischen katholischen Bevölkerung gegenüber den protestantischen Nachfahren der englischen Eroberer begann, steigerte sich zu einem blutigen Konflikt. Etwa die Hälfte der über dreieinhalbtausend Todesopfer waren Zivilisten. Menschen, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, wenn wieder eine Bombe hochging.
Als besondere Zäsur wurden die Hungerstreiks der inhaftierten IRA-Kämpfer erlebt. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit hungerten sie sich zu Tode, um eine Anerkennung als politische Gefangene zu erzwingen. Berichte von IRA-Angehörigen, militanten Unionisten und anderen Zeitzeugen lassen den Dreiteiler „Es war einmal in Nordirland“ zum bewegenden Porträt eines Landes werden, das heute noch von den Jahrzehnten des Konflikts geprägt ist.
Ein ganz anderes Trauma verfolgt bis heute das benachbarte Irland: Mehr als 10.000 „gefallene Mädchen“ und ledige Mütter mussten in den berüchtigten Magdalenen-Wäschereien arbeiten. „Entrechtete Frauen: Die Arbeitslager der irischen Kirche“ bricht das Schweigen der Betroffenen. Aber warum und wie ist die Magdalenen-Bewegung entstanden und wie konnte sie Frauen so lange widerspruchslos unterdrücken? Ob Familie, Kirchengemeinde oder Staat – die irische Gesellschaft hat sich den Heiminsassinnen gegenüber gleichgültig gezeigt, teilweise sogar den Betrieb dieser Einrichtungen unterstützt.
Der Film begleitet Betroffene, die bis heute mit den Folgen ihrer Behandlung und den Auswirkungen auf ihre Kinder und Familien zu kämpfen haben.
Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 05.12.2023 um 20:15 Uhr auf arte.