Stammheim - die RAF vor Gericht

Quelle: Pressebild (tvdirekt)
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Autor*in: Thomas Schuhbauer, Sonja von Behrens Der Stammheimer Prozess gegen die Führung der RAF sollte den Terrorismus juristisch beenden, doch er spaltete die Gesellschaft und trug dazu bei, dass die Gewalt im "Deutschen Herbst" eskalierte. 1974 scheint der Terrorismus in der Bundesrepublik schon fast besiegt: Der harte Kern der Rote Armee Fraktion ist verhaftet, die Studentenproteste flauen ab. Die Verurteilung der RAF-Mitglieder Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in einem ordentlichen Prozess werde dem Spuk ein Ende bereiten - glauben viele damals. Doch dann werden die Jahre 1974 bis 1977 zu den blutigsten in der Geschichte des linken Terrors in der Bundesrepublik. Attentate und Geiselnahmen halten die Öffentlichkeit in Atem, der Staat wehrt sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Unschuldige geraten zwischen die Fronten. Am Ende steht mit der Entführung Hans Martin Schleyers und der Lufthansamaschine "Landshut" der "Deutsche Herbst", die bisher größte innenpolitische Krise der Bundesrepublik. Der Stammheimer Prozess gegen die Führung der RAF ist ein Schlüsselereignis für die Geschichte und für das Verständnis des "Deutschen Herbstes". Der neue, hochgesicherte Gerichtssaal auf dem Gelände des Stammheimer Untersuchungsgefängnisses wird zum Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Angeklagten, Staatsanwälten, Richtern sowie Verteidigern. Hungerstreiks, Abhörskandale, Vorwürfe wegen Isolationsfolter und Selbstmorde in der Haft erschüttern die Republik. Statt den Terrorismus juristisch aufzuarbeiten, spaltet der Prozess die Gesellschaft und trägt zur Eskalation der Ereignisse bei. Als am 28.April 1977 das Urteil verkündet wird, ist Ulrike Meinhof bereits tot, die drei anderen werden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Doch warum konnten die Ereignisse und der Prozess derart eskalieren? Hätte diese Eskalation vermieden werden können? Das sind die Fragen, denen der Film nachgeht. Erstmals hat der Vorsitzende Richter Theodor Prinzing ein ausführliches Interview gegeben. In ihm enthüllt er nicht nur, dass eigens für den Prozess erlassene Sondergesetze auf Hinweise des Gerichts zurückgingen. Er spricht auch zum ersten Mal über ein familiäres Drama, das sich hinter den Kulissen abspielte: Seine Tochter Gabriele (die in diesem Film auch zum ersten Mal ein Interview gibt) war auf der Seite der RAF-Sympathisanten und -Sympathisantinnen und nahm an RAF-nahen Veranstaltungen teil, auf denen ihr Vater als "Mörder" beschimpft wurde. Zu Wort kommen außerdem Beteiligte von damals: Richter im Stammheimer Prozess wie Kurt Breucker und Eberhard, Verteidiger wie Christian Ströbele und Rupert von Plottnitz sowie Journalistinnen und Journalisten und Historiker*innen. Die Eskalation jener Zeit beschreiben aus unterschiedlicher Perspektive der Theatermacher Claus Peymann und der Filmemacher Andres Veiel, damals Mitglied der Jungen Union in Stuttgart. Mit ihrer Hilfe wird der Prozess von damals noch einmal aufgerollt. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden mit ihren Entscheidungen von damals konfrontiert. Die SWR Doku versucht zu verstehen, wie es zu dieser Eskalation kommen konnte.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 01.06.2021 um 23:30 Uhr auf SWR.