Berlin 1945

Tagebuch einer Großstadt

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Berlin 1945: Die Stadt verwandelt sich erst in einen Kriegsschauplatz, dann in ein Trümmerfeld, in dem das letzte Aufgebot aus jungen Menschen sinnlos stirbt. Kurz darauf wird der Beginn einer neuen Zeit eingeleitet - mit Siegern und Besiegten. Deutsche und Alliierte, einfache Bürger, Soldaten, Journalisten, Politiker, Zwangsarbeiter, Untergetauchte, Verbrecher und Helden kommen zu Wort - ein vielstimmiges, kollektives Tagebuch. Erzählt wird aus den Blickwinkeln der Zeitgenossen, ohne sich über sie zu erheben, auf Augenhöhe, eine direkte Vergangenheitserfahrung.
Und während sich das ganze Ausmaß der untergegangenen Diktatur erst langsam entblättert, zeichnet sich am Horizont schon eine neue Teilung ab.
Zusammengesetzt aus Archivmaterial aller damaligen Akteure wird "Berlin 1945" eine multiperspektivische, emotionale Seherfahrung: lebendige Geschichte. So haben es die Menschen gesehen und empfunden. Es sind Bilder, Töne, Eindrücke aus "ihrer" Stadt. Die Vielstimmigkeit führt uns vor Augen, wie unterschiedlich die Erfahrungen waren, wie wenig man voneinander wusste, wie zerrissen die Menschen waren.
Der Film legt Bezüge offen, die bis in das heutige Stadtbild und in unsere eigene Gegenwart hineinreichen: Im Jahr 2020, 75 Jahre nach der Kapitulation, wird der 8. Mai einmalig ein offizieller Feiertag für Berlin. Zu Beginn des Jahres 1945 wiegt Berlin sich in der Illusion, den Krieg zu überstehen. Jeden Tag Bombenangriffe, jeden Tag werden Leichen bestattet und Brände gelöscht. Jeden Tag geht der Alltag weiter, während die Front näher rückt. Der Tod trifft Frauen und Männer, Alte und Junge, Kinder und Greise, Nationalsozialisten ebenso wie die Zwangsarbeiter, die auf ihre Befreiung warten. Eine Zeit der unklaren Frontverläufe, niemand hat den Überblick. Zivilisten verstecken sich, SS-Männer erschießen Deserteure, Rotarmisten hoffen darauf, nicht in den letzten Tagen zu fallen. Der Krieg zieht der Stadt entgegen und schließt den Kreis: Er kehrt zurück an seinen Ausgangspunkt und kennt kein Erbarmen. Am 30. April weht die Rote Fahne über dem Reichstag und Adolf Hitler nimmt sich das Leben. Es dauert noch zwei Tage, bis sich die Stadt ergibt. Eine Niederlage, die eine Befreiung ist. Während Engländer, Franzosen und Amerikaner noch darauf warten, in Berlin einzurücken, setzen die Sowjets Bürgermeister ein, organisieren die Lebensmittelversorgung und machen sich auf die Suche nach den Kriegsverbrechern. Die Jüdische Gemeinde findet sich neu zusammen, es gibt nur wenig Überlebende. Auf der Potsdamer Konferenz wird über das Schicksal der Stadt entschieden. In die Ruinen kehrt das Leben zurück, die Theater eröffnen wieder, Orchester spielen unter freiem Himmel. Doch das Band, das die Alliierten zusammengehalten hat, zerreißt - und der Kalte Krieg beginnt. Der Winter steht vor der Tür.
"Berlin 1945" beschreibt das Jahr chronologisch als ein multiperspektivisches Mosaik. Ein Chor aus vielen Stimmen bildet ein kollektives Tagebuch. Die Vielstimmigkeit führt uns vor Augen, wie unterschiedlich die Erfahrungen waren. Wochenschauen, Amateuraufnahmen, Tagebuchnotizen, Zeitungsausschnitte, Fotografien, Bildreportagen, Schnappschüsse, gefrorene Momente in schwarz-weiß und Farbe, werden ebenso in der Erzählung verwoben wie Rundfunkberichte und andere Tonaufnahmen. All das ermöglicht ein Erleben des Jahres 1945 aus dem Zeithorizont heraus. Man sieht Bilder, hört Texte, bekommt Eindrücke und Gedanken von damals.
Film von Volker Heise

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 08.04.2021 um 23:45 Uhr auf SWR.