Treffpunkt Kiosk

Kippen, Kumpel, Kohleausstieg

45min, Deutschland 2020
Quelle: Pressebild (tvdirekt)
Quelle: Pressebild (tvdirekt)

Der Kiosk ist in vielen Vierteln der letzte Ort, der den Menschen geblieben ist, zusammenzukommen und Nachbarschaft zu leben.

Denn Kiosk ist mehr als nur ein Laden, wo man die nötigsten Dinge des Alltags bekommt. Hier trifft man sich, hier kann man noch miteinander reden. Über Alltagssorgen oder über die große Politik und natürlich über Sport und Co.

Frust und Freude des Lebens werden hier geteilt. Die Geschichten und Meinungen der Kioskbetreiber und ihrer Stammkunden stehen im Mittelpunkt dieser Reportage-Reihe.

In Berlin-Oberschöneweide wird Uwe immer wieder von schlimmen Erinnerungen heimgesucht: Sein kleiner Bruder Siegfried ist 1973 beim Spielen in die Spree gefallen und ertrunken, weil die DDR-Grenzsoldaten den Helfern aus dem Westen nicht erlaubten, den Jungen zu retten. Unter diesem Verlust und der Hilflosigkeit leidet Uwe noch heute. Auch sein Freund Thommy hat es nicht leicht – er ist bekennender Alkoholiker. Doch eigentlich wünscht er sich etwas anderes: Für eine feste Beziehung wäre er vielleicht sogar zu einem Entzug bereit.

In Spremberg in der Lausitz beschäftigt sich der 62-jährige Kioskbesitzer Hartmut mit seiner Rente. Er ist hin- und hergerissen. Einerseits würde er das anstrengende Kioskleben mit seinen langen Arbeitszeiten gerne hinter sich lassen. Auf der anderen Seite weiß er, dass ohne den Kiosk viele Leute gar nichts mehr hätten, außer zu Hause einsam in die Glotze zu gucken. Hier können sie ihre Ängste und Sorgen wenigstens teilen: Viele sind noch geprägt von der Nachwendezeit, wo viele Menschen in der Region nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Heimat verloren haben. Und jetzt, wo der Braunkohleausstieg beschlossen ist, haben viele erneut Angst um ihre Arbeitsplätze. Viele Jobs hier sind direkt oder indirekt von der Braunkohle abhängig.

Auch in Oer-Erkenschwick in der "Baller-Bude" ist der Kohleausstieg bei den Stammgästen Lothar und Günther Thema. Hier geht es aber um die Steinkohle. 2018 wurde die letzte Zeche geschlossen. Das Ende des Bergbaus hat Lothar genau wie Tausende andere Ruhrpottler schwer getroffen. Neben dem fehlenden Einkommen zieht ihn das Gefühl herunter, nicht mehr gebraucht zu werden. Derzeit pflegt er seine an Multiple Sklerose erkrankte Frau. Die "Baller-Bude" ist das Letzte, was ihn aus glücklicheren Tagen geblieben ist, als er sich hier mit seinen Kumpels zum Feierabendbier getroffen hat.

In Köln-Vingst liegt nicht nur die Arbeitslosenquote mit 14,4 Prozent für die Domstadt vergleichsweise hoch, die Menschen verdienen hier auch weniger. Doch darüber will hier keiner großartig reden. Stattdessen wird einfach direkt mit angepackt, wenn einer Unterstützung braucht, so auch bei Karl-Heinz. Der 52-Jährige leidet seit 21 Jahren an Parkinson und sammelt nebenbei Flaschen, da er mit seiner Rente kaum über die Runden kommt. Die Freunde vom Kiosk versuchen jetzt, den größten Wunsch ihres Freundes, der es so schwer hat, zu erfüllen. Sie sammeln für eine Mundharmonika. Bei "Kopf-oder-Zahl"-Spielen muss der Verlierer fünf Euro ins Sparschwein stecken. Wird das Geld irgendwann für die Mundharmonika reichen?

Quelle: Presseportal

Die Sendung wird ausgestrahlt am Freitag, den 03.04.2020 um 10:30 Uhr auf ZDFinfo.