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Die letzten NS-Täter - Ohne Strafe, ohne Reue?

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Karl M. ist 96 Jahre alt. Er wurde 1949 in Frankreich in Abwesenheit als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt. Doch da lebte er längst wieder in seiner Heimatgemeinde Nordstemmen in Niedersachsen. Bis heute unbehelligt. Aus seiner Gesinnung macht er keinen Hehl. In einem Interview mit dem NDR Ende letzten Jahres antwortete er auf die Frage, "ob er sich so einen wie Hitler heute wieder wünsche" mit den Worten: "Warum nicht? Eine Debatte wurde ausgelöst mit der Frage: Was ist der angemessene Umgang mit all jenen NS-Tätern, die noch leben?


Karl M. ist 96 Jahre alt. Er wurde 1949 in Frankreich in Abwesenheit als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt. Doch da lebte er längst wieder in seiner Heimatgemeinde Nordstemmen in Niedersachsen. Bis heute unbehelligt.

Aus seiner Gesinnung macht er keinen Hehl. In einem Interview mit dem NDR Ende letzten Jahres antwortete er auf die Frage, "ob er sich so einen wie Hitler heute wieder wünsche" mit den Worten: "Warum nicht? Der hat doch durchgegriffen!" Auch die Ermordung von Millionen Juden bezweifelt er: "So viel Juden hat es damals gar nicht gegeben bei uns. Das hat man schon widerlegt, habe ich letztens irgendwo gelesen."

Spätestens seit diesem Interview diskutieren die etwa 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde Nordstemmen, wie man sich gegenüber dem Mitbürger Karl M. verhalten soll. Eine Debatte, die auch viele andere bewegt: Was ist der angemessene Umgang mit all jenen NS-Tätern, die noch leben? Soll gegen sie noch ermittelt werden oder sollte nicht irgendwann Schluss sein?

Diese Dokumentation geht diesen Fragen nach und befragt dazu Historiker, Staatsanwälte und Verantwortliche der Gedenkstätten, die an die vielen Opfer des Naziterrors erinnern. Und sie beobachtet eine Schulklasse aus Nordstemmen bei ihrem Besuch in Auschwitz.

Die Autoren besuchen auch Ascq, eine Gemeinde in Nordfrankreich mit 3.300 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier geschah das Kriegsverbrechen, an dem Karl M. 1944 beteiligt war. Alle fünf Jahre erinnern sie hier mit Fackelzügen und Gedenkveranstaltungen an jene 89 unschuldigen Zivilisten, die damals von SS-Leuten ermordet wurden. Als Racheaktion für einen Anschlag auf einen mit 400 SS-Angehörigen besetzten Zug, bei dem allerdings niemand verletzt wurde und an dem keiner der erschossenen Menschen beteiligt war.

Dieses Kriegsverbrechen hat die Gemeinde nie vergessen. Sie ist fassungslos, dass einer der Täter, nämlich Karl M., trotz des in Frankreich verhängten Todesurteils nie behelligt wurde.

Die Gemeinde Nordstemmen hat sich mittlerweile per Ratsbeschluss von den Aussagen ihres Mitbürgers distanziert und den Nachkommen der Opfer ihr Mitgefühl übermittelt.

In den Jahren davor war M. ein geachteter und gern gesehener Gast bei mehreren Veranstaltungen. Der Heimatverein hatte ihn auch für seine Verdienste "in der Geschichtswerkstatt und in der plattdeutschen Runde" geehrt. Karl M. ist seit Langem, wie auch andere noch lebende NS-Täter, immer mal wieder dabei, wenn sich Rechtsradikale zu Heimatabenden treffen. Stolz erzählt er im NDR Interview, wie er dort auch um Autogramme gebeten wird.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 12.09.2019 um 10:15 Uhr auf tagesschau24.