Vom Glück, ein Weltbürger zu sein

Ulrich Wickert - Journalist, Autor, Schriftsteller

In Deutschland ist er, auch nach seinem Abschied vom Bildschirm, "Mister Tagesthemen" geblieben. Bevor er 15 Jahre lang jeden Abend das wichtigste Nachrichtenmagazin des Ersten Deutschen Fernsehens moderierte, war er über viele Jahre der Korrespondent aus Paris, der den Deutschen vormachte, wie man bei brausendem Verkehr über den Place de la Concorde geht, der über die Liebe der Franzosen zum Käse oder die französische Künstlerszene berichtete.
Die Zuschauer der ARD nahm er auf seine Streifzüge durch Paris mit und machte sie mit den Berühmten der Metropole vertraut, aber auch mit denen, die nie im Rampenlicht stehen. Interviews mit Präsident Mitterand, Berichte aus dem Élisées-Palast, Einschätzungen der politischen Situation in Frankreich, das war Wickerts Ressort: "Mein Ansatz, das Land zu betrachten, war nicht zu sagen, dass die Franzosen anders sind, sondern warum sie anders sind", sagt Wickert im Rückblick.
Mit zwölf Jahren ist der Diplomatensohn mit seinen Eltern nach Paris gekommen, ist dort zur Schule gegangen, hat die Sprache mühelos gelernt. Frankreich ist für Wickert Teil seiner Identität. So wundert es auch nicht, dass er nach Sachbücher wie "Vom Glück, Franzose zu sein" auch Krimis schreibt, in denen ein Pariser Untersuchungsrichter ermittelt. In einer provenzalischen Kleinstadt unweit von Grasse hat er seinen zweiten Wohnsitz: Dort kann er sich zurückziehen und in Ruhe schreiben. Wenn er sich hier im Café mitten auf dem Marktplatz verabredet, dann ist er einfach Franzose unter Franzosen, sogar, wenn ein Kamerateam dabei ist, das genießt er.
Ganz anders in Deutschland, dort wird er von Leuten auf der Straße angesprochen, um Autogramme gebeten. Das hat sich auch nach dem Ende seiner Tätigkeit als Frontmann der Nachrichtensendung der ARD nicht geändert. Ulrich Wickert ist der populärste deutsche Journalist. Dabei wollte er ursprünglich Diplomat werden, studierte Jura. Schreiben, das war anfangs für ihn nur ein Hobby und kein "ordentlicher" Beruf. Doch als er damit sein Geld verdiente, merkte er, wie sehr es ihm Spaß machte, anderen über Gott und die Welt zu berichten.
Im Film von Dagmar Wittmer gibt Wickert Einblicke in sein Privatleben, erzählt von seiner frühen Kindheit in Japan, wo die Familie in einem Holzhaus an einem der Seen am Fuße des Fuji lebte und er mit den Nachbarkindern japanisch sprach, von seinem Aufenthalt in den USA als 19-jähriger Stipendiat der Wesleyan University, wo er begiff, was Freiheit bedeutet, und dass man sich einsetzen muss für eine Gemeinschaft. Einsichten, die Wickert, als er in den bewegten 60er Jahren an der Universität in Bonn studierte, prompt umsetzte und sich damit bei vielen Professoren unbeliebt machte, sogar exmatrikuliert werden sollte. Für ihn war es eine prägende Erfahrung, dass andere für ihn Partei ergriffen, sich gegen das Unrecht durchgesetzt haben. Seine perfekten Sprachkenntnisse in Französisch und Englisch haben ihm schon in jungen Jahren Aufträge im Ausland beschert. Auf Fremde zugehen, ihre Gedanken zu erfahren, ihre Welt zu erschließen, macht für ihn einen wichtigen Teil seines Berufes aus.
Wickert berichtet auch über für ihn persönlich wichtige Begegnungen, wie die mit dem Schriftsteller und Dramaturg Eugène Ionesco, mit dem ihn eine enge Freundschaft bis zu dessen Tod verband. Unterwegs in Paris zu den Schauplätzen seines neuen Krimis, in Hamburg, wo er mit seiner Frau Julia lebt, in Berlin, dem Sitz der Redaktion des Nachrichtenportals "Zoomer.de", für das er damals regelmäßig eine Kolumne schrieb, und in seiner Wahlheimat Südfrankreich trifft das Filmteam den Journalisten, der sich heute eher als Autor bzw. Schriftsteller begreift.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Sonntag, den 04.12.2022 um 00:20 Uhr auf tagesschau24.