Energiesicherheit in Deutschland

Der Preis der Unabhängigkeit: Gas

Explodierende Gaspreise, leere Speicher, Angst vor Rationierung und Abschaltung – Putins Krieg hat Deutschlands Abhängigkeit von russischem Erdgas gnadenlos offengelegt.
Seit März schon hat die Bundesregierung die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, bei dem ein Krisenteam bestehend aus Behörden und Energieversorgern die aktuelle Lage permanent analysiert. Politik und Fachleute suchen händeringend nach brauchbaren Alternativen, um in den nächsten Monaten die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen. Neben konsequentem Energiesparen und einem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien setzt die Politik auch auf Gaslieferungen aus anderen Ländern.
Abhängigkeit von Gazprom
Vor Kriegsbeginn kamen rund 55 Prozent des nach Deutschland importierten Erdgases aus Russland. Heute sind wir runter auf unter 40 Prozent. Eine ausgeklügelte und bisher reibungslos funktionierende Infrastruktur aus kilometerlangen Pipelines sowie Verdichter- und Verteilstationen soll die Versorgung sicherstellen.
Viele Gasspeicher liegen in der Hand von Gazprom - Ergebnis politisch-strategischer Fehlentscheidungen. Sie müssten, wann immer möglich, gefüllt werden, um genügend Reserven vorzuhalten - für die Gewinnung von Strom und Fernwärme für private Verbraucher, aber auch für Industrieunternehmen, die auf Gas angewiesen sind wie zum Beispiel Kunststoff-, Düngemittel- oder Glasfabriken. Doch wo liegen die Alternativen für russisches Gas?
Run auf Flüssiggas
Mehr Erdgas könnte aus Norwegen und Nordafrika kommen, eine weitere Möglichkeit wäre verflüssigtes Erdgas, das sogenannte LNG, über Spezialschiffe aus den USA und Katar. Die Verhandlungen dazu laufen auf Hochtouren. Dafür notwendige LNG-Terminals gibt es in Deutschland allerdings noch nicht - und die Terminals in anderen europäischen Ländern arbeiten bereits am Limit, Spezialtanker sind über Monate ausgebucht.
Eine Option könnten schwimmende LNG-Terminals sein. Sie könnten schneller den Betrieb aufnehmen. Auch die heimische Erdgasförderung in Deutschland, die wegen begrenzter Ressourcen und der Sorge vor Umweltschäden eigentlich als Auslaufmodell betrachtet wurde, rückt nun wieder in das Interesse der Politik.
Langfristig helfen nur Erneuerbare
Der Preis der angestrebten Unabhängigkeit von russischem Erdgas ist hoch. Auch für die Umwelt - ob Fracking-Gas aus den USA für LNG-Transporte oder die längere Verfeuerung von Braunkohle.
Prof. Karen Pittel vom ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen hält einen Ausstieg aus dem russischen Erdgas auch kurzfristig für machbar. Der Preis dafür ist allerdings hoch. Er bedeutet Umdenken, Verzicht und kurzfristig auch neue Belastungen fürs Klima. Daher ist es umso wichtiger, den Ausbau erneuerbarer Energien massiv zu beschleunigen und vorhandene Potenziale zu nutzen. So wie im Frankfurter Gallusviertel, wo ein Wohnviertel zum Heizen bald seine Energie aus der Abwärme eines benachbarten Rechenzentrums beziehen wird.
Film von Volker Wasmuth und Patrick Zeilhofer

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 17.05.2022 um 16:45 Uhr auf phoenix.