Vernichtung im Laufschritt: Todesmärsche 1944/45

Frankreich 2019

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Als die Rote Armee in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs immer weiter nach Westen vorrückte, räumten die Nazis die frontnahen Konzentrationslager.
Von Sommer 1944 bis Frühjahr 1945 zwangen sie hunderttausende Deportierte zu oft wochenlangen Todesmärschen durch Deutschland und Österreich. Viele Häftlinge starben an Erschöpfung oder wurden von den Wachmannschaften, aber auch von Zivilisten ermordet, an denen sie vorbeimarschieren mussten. Die unglaubliche Brutalität dieser Todesmärsche zeugt von der allgemeinen Verrohung, die im untergehenden Dritten Reich um sich gegriffen hatte.
Im Grunde stellten die Todesmärsche die Fortsetzung der von den Nazis in den Konzentrationslagern verfolgten Vernichtungsstrategie dar. Angesichts des sowjetischen Vormarschs lösten sie die Lager auf und versuchten, die Spuren der Vernichtungsanlagen zu beseitigen. Damit verloren die Deutschen die Kontrolle über die geplanten Massentötungen und griffen auch vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des Regimes und des Vorrückens der Alliierten auf andere Methoden zurück.
Die Todesmärsche waren bisher eines der am wenigsten bekannten Kapitel der Geschichte des Dritten Reichs. Ursache hierfür ist der über lange Zeit eingeschränkte Zugang zu Informationen über die Identität der Täter sowie der von hunderttausenden Häftlingen aus den Konzentrationslagern, Gefängnissen und Arbeitslagern, die die Nazis in den letzten Monaten des Dritten Reichs auf ihrem Rückzug räumten.
Heute können viele bislang ungeklärte Fragen dank jüngster Erkenntnisse der Geschichtsforschung sowie mithilfe der im Laufe der Jahrzehnte zusammengetragenen Zeitzeugenberichte von jüdischen und anderen Überlebenden beantwortet werden.
Sie brachen auf, um nie wieder zurückzukehren. Die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs waren voller Hoffnung und gleichzeitig Gipfel schrecklichen Terrors. Heute ist der Ausgang des Krieges bekannt. Doch für die Nazis und die KZ-Gefangenen blieb das Ende bis zur Befreiung ungewiss. In den letzten Wochen des Krieges, bedroht durch die vorrückenden Truppen der Roten Armee, zerstörten die Nazis Konzentrationslager, belastendes Beweismaterial und ermordeten auf grausame Weise die noch lebenden Gefangenen. Sie wurden bei Minusgraden, völlig entkräftet, auf Todesmärsche Richtung Westen geschickt. Wer stehen blieb, wurde erschossen. Die Todesmärsche trieben die Opferzahlen des Genozids drastisch in die Höhe.
Auch im KZ Mauthausen wurde ab Januar, am Vorabend des Einmarsches der amerikanischen Einheiten, das Lager von kompromittierendem Beweismaterial geräumt. Tausende Dokumente und Fotos wurden verbrannt. Gefangene schmuggelten 20.000 Negative aus dem Lager. Die geretteten Bilder legen noch heute Zeugnis ab. Sie ermöglichten in den Nürnberger Prozessen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Hinzu kommen die Stimmen der Überlebenden, die erzählen, was sie durchgemacht haben. Bilder und Aussagen, die sich für immer ins Gedächtnis einbrennen.
Die Zeit nimmt ihren Lauf, die Stimmen der Überlebenden verstummen. Was bleibt, ist eine Momentaufnahme, überliefert in Bildern und Zeitzeugenaussagen. Sie werden auch in Zukunft noch sprechen und daran erinnern, niemals zu vergessen. Derzeit ist Antisemitismus weltweit auf dem Vormarsch. Seit dem Ausbruch der globalen Corona-Pandemie steigt auch die Zahl judenfeindlicher Inhalte in Internet und Social Media. Es ist nun an der gegenwärtigen Generation, aktiv zu verhindern, dass sich die Ereignisse wiederholen.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 27.01.2022 um 09:20 Uhr auf arte.