Hier bin ich sicher!

Zufluchtsorte für Kinder

Wenn Kinder zu Hause nicht mehr sicher sind, muss es manchmal ganz schnell gehen. Dann nimmt das Janusz-Korczak-Haus in Bad Malente sie auf. Wenn es sein muss auch mitten in der Nacht. In dem sozialtherapeutischen Heim ist fast immer ein Zimmer für eine sogenannte Inobhutnahme frei. Es sind freundliche Räume mit Holzmöbeln und einladend bezogenen Betten. Träger ist der Kreisverband des Kinderschutzbundes Ostholstein. Neun Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren wohnen derzeit hier. Sie werden Tag und Nacht betreut.
Der Bedarf an derartigen Plätzen ist groß. Die Kriminalstatistik für 2020 weist mehr als 4900 Fälle von Kindesmisshandlung auf, das Dunkelfeld soll weitaus größer sein. 152 Kinder wurden getötet. Und die Zahl der sexuellen Übergriffe stieg im Corona-Jahr 2020 um fast sieben Prozent auf mehr als 14.500 Fälle. Die meisten Opfer sind Mädchen, die Täter meist Familienangehörige.
"Kinder, die zu uns kommen, haben Schreckliches durchgemacht", sagt Heimleiterin Silke Hüttmann. Manche wurden vernachlässigt oder misshandelt, viele haben sexualisierte Gewalt erlebt. Manchmal auch alles zusammen. Im Janusz-Korczak-Haus können sie aufatmen. Hier sind sie sicher. Doch in ein normales, angstfreies Leben zu finden, ist schwer.
Judith Rakers besucht das Heim mit einem Filmteam. Das ist aufregend für die Mädchen und für die Moderatorin. Sie weiß nicht, was sie erwartet. Doch bei Kaffee und Kuchen sind alle schnell per Du. Celina und Josi zeigen Judith ihre Zimmer. Jedes ist anders eingerichtet und hat ein eigenes Bad. Das Haus war früher mal ein Hotel. Celina ist 19, lebt seit drei Jahren im Haus und macht bald ihr Abitur. Sie zeichnet leidenschaftlich gern, Fabelwesen und Tiere, die Emotionen ausdrücken. Es ist ihre Art, die Vergangenheit zu verarbeiten. Darüber sprechen kann sie nicht. Die Verletzungen sind zu groß.
Sicherheit vor ganz anderen Gewalterfahrungen bietet der offene Kindertreff Blauer Elefant in Schwerin. Die Einrichtung des Kinderschutzbundes im Stadtteil Neu-Zippendorf bietet einen pädagogischen Mittagstisch für Grundschulkinder, Hausaufgabenhilfe und Freizeitbetreuung an. Bis zu 20 Kinder kommen täglich und halten die Mitarbeitenden ebenso wie Judith Rakers bei ihrem Besuch auf Trab.
Die Kinder stammen alle aus syrischen Familien. Geflüchtete, von denen viele 2015 nach Deutschland kamen. Sie wurden in Plattenbauten untergebracht, die damals schon zum Abriss leer standen. Im Kindertreff geht es meistens fröhlich zu, Kriegs- und Fluchterfahrungen sind kein Thema. Aber einige Mädchen erzählen, dass sie ihre Großeltern und das frühere Zuhause vermissen. In der Familie sprechen die Kinder Arabisch, manche haben deshalb Schwierigkeiten in der Schule. Deshalb ist die Unterstützung im Haus Blauer Elefant so wichtig.
Auch Judith Rakers hilft bei den Hausaufgaben und macht zusammen mit den Kindern einen Ausflug. Sie besuchen einen Gnadenhof für Tiere. Der Kinderschutzbund organisiert solche Freizeit- und Ferienaktivitäten, weil die Kinder sonst kaum aus dem Stadtteil herauskommen. Urlaub, Ausflüge, kulturelle Veranstaltungen können sich viele der syrischen Familien nicht leisten.
Finanziert werden die Projekte zu einem Teil durch staatliche oder städtische Fördermaßnahmen. Doch um den Kindern mehr zu bieten als eine Grundversorgung, sind sie auf Spenden angewiesen. Das Haus in Bad Malente nutzt solche Gelder zum Beispiel für tiergestützte Pädagogik. Einige der Mädchen haben große Probleme, anderen Menschen zu vertrauen, Nähe zuzulassen. Der Umgang mit Tieren, mit Therapiehund Bali oder eigens trainierten Lamas kann helfen, wieder Zutrauen zu gewinnen. Und Tiere bringen Spaß. Judith Rakers genauso wie den Kindern.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Samstag, den 04.12.2021 um 08:30 Uhr auf NDR.