Unerkannt und unterschätzt

Wenn Kinder an Long-Covid leiden

Kindern macht Covid-19 nicht viel aus - so dachte man lange. Doch das ist ein Irrtum. Corona kann in seltenen Fällen bei Kindern und Jugendlichen zu schweren Problemen führen. So wie bei Johann. Anfang Januar hatte seine Familie Besuch. Zwei Tage später wurde er ins Krankenhaus eingeliefert und musste ins Koma versetzt werden.
Seitdem bangen die Eltern, hoffen gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten in der Reha-Klinik Kreischa, dass der 16-Jährige wieder ins Leben zurückfindet. Seine Eltern machen sich schwere Vorwürfe. "Mit dieser Schuld müssen wir jetzt ein Leben lang leben. Hätten wir diesen Besuch Anfang Januar abgesagt, würde Johann nicht hier hilflos im Bett liegen", sagt Olaf Stein, sein Vater.
Nick hat es nicht so drastisch erwischt wie Johann. Doch auch er möchte sein altes Leben zurück, möchte wieder Sport treiben können, sich mit seinen Freunden treffen, seine Lehre als Steuerfachgehilfe endlich fortsetzen.
Doch der Junge kann sich nicht konzentrieren, einfache Wörter fallen ihm nicht mehr ein. Und sein Herz rast, wenn er zu schnell geht. "Ich bin so froh, dass ich hier in Kreischa bin. Endlich bin ich nicht der Übergeschnappte, der übertreibt oder sich nicht genug anstrengt. Endlich nehmen mich Ärzte und Therapeuten ernst."
Dr. Dirk Heinicke ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und spezialisiert auf Neuropädiatrie. Er beschäftigt sich damit, warum Kinder und junge Menschen nach einer Corona-Infektion solche Langzeitfolgen haben können. Das Problem bei ihnen sei eine sogenannte multisystemische Entzündung von verschiedenen Organen - getriggert durch das Covid-Virus. Sie erkranken an Covid-19 nur leicht oder mittelschwer, sind danach für eine kurze Zeit sogar frei von Beschwerden und dann kommt es zur Organmitbeteiligung.
Das betreffe vor allem das Herz, die Leber, weniger die Lunge, berichtet der Arzt. Diese Autoimmunerkrankung sei eine große Herausforderung für die Medizin, viel zu viel sei noch unklar. "Und die Öffentlichkeit nimmt diese Gruppe nicht ernst, weder die Politik, noch die Medien. Alle sagen, Kinder und Jugendliche sind nicht so stark betroffen wie ältere Patienten. Das stimmt so nicht."
Dr. Heinicke und sein Team kämpfen Tag für Tag mit Kindern und Jugendlichen wie Johann und Nick. Sie sind zwei von 300 Betroffenen, die seit Beginn der Pandemie in der Reha-Klinik Kreischa behandelt werden. "Exakt - die Story" hat sie monatelang begleitet auf ihrem langen Weg zurück in ein normales Leben.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Mittwoch, den 20.10.2021 um 20:45 Uhr auf MDR.