Wir bauen auf!

Privatfilme aus der Nachkriegszeit

Nach dem Erfolg der Dokumentationen "Wir im Krieg" und "Deutschland von oben 1945" recherchierte Autor Jörg Müllner erneut in Stadtarchiven, Landesbildstellen und privaten Sammlungen nach Filmschätzen. In großer Eindringlichkeit erzählen seine Funde Geschichten von Menschen, die ihren Alltag in der Nachkriegszeit in Ost und West in privaten Filmen festhielten.
Solche Aufnahmen in Farbe waren eine Seltenheit in diesen Jahren. Viele Filmamateure besorgten sich ihr Material vom Schwarzmarkt. Farbfilme gab es nur von amerikanischen Herstellern wie Kodak zu sehr hohen Preisen, da die deutschen Agfa-Werke damals nicht mehr produzierten. Umso wertvoller sind die Aufnahmen. Sie haben den Filmemacher angeregt nachzufragen, persönliche Hintergründe in Erfahrung zu bringen, den historischen Zusammenhang herzustellen.
Mit Eigeninitiative und Ideen gestalteten die Menschen ihre Zukunft. Junge Geschäftsleute gründeten Firmen, alteingesessene Konzerne erfanden sich neu. In Stuttgart, ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs, ließ Familie Mettenleiter ihre Konditorei aus Trümmern wieder auferstehen. Eine Mammutaufgabe. Die ganze Verwandtschaft wurde in die Stadt beordert - zur "Mission Wiederaufbau".
Eberhard Küfer fuhr mit einem Lieferwagen voll frischer Wäsche durch die Stuttgarter Ruinen. Er belieferte die städtischen Bunker, die schon ab August 1945 als Hotels genutzt wurden, mit Wäsche.
Im bayrischen Bad Reichenhall brachte Hildegard Mayer, gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin, mit Fleiß und Disziplin den Kurbetrieb ihrer Familie wieder in Schwung - mit Erfolg. Schon in den 1950er-Jahren erfüllte sie sich ihren Traum von großen Reisen - im neuen Mercedes oder mit dem Flugzeug.
Doch bei aller Aufbruchsstimmung wirkte die Kriegszeit noch lange nach. Berührend ist die Geschichte des Soldaten Wilhelm Emmerling, der in russischer Gefangenschaft ein Bein verlor. Als er schließlich 1949 zurück nach Hause durfte, schmuggelte er in seiner Krücke versteckt einen Papierstreifen. Darauf standen die Namen von Kameraden, die noch immer in sowjetischen Lagern ausharrten und denen er versprochen hatte, ihre Familien zu informieren. Er kaufte ein Motorrad, machte sich mit seiner jungen Frau auf eine große Reise durch Frankreich, Spanien, nach Mallorca und bis nach Gibraltar. Denn in der Gefangenschaft hatte Emmerling auch spanische Soldaten kennengelernt. Wilhelm Emmerling erfüllte auch dort seine Mission. Die unbeschreibliche Freude beim Überbringen der Nachrichten ist auf Zelluloid gebannt.
Neben Historikerin Prof. Ute Frevert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Direktorin im Forschungsbereich "Geschichte der Gefühle", Filmwissenschaftler Dr. Peter Stettner und dem Sozialpsychologen Prof. Harald Welzer, der sich mit dem gesellschaftspolitischen Klima der Nachkriegszeit befasst, kommen auch die Nachfahren der Hobbyfilmer zu Wort. Menschen, deren Zeugnisse uns heute eine Zeit nahebringen, die vielen Deutschen im Rückblick wie ein Wunder erscheint.
Film von Jörg Müllner

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 14.01.2021 um 00:45 Uhr auf phoenix.