Die Insel (1/2)

West-Berlin zwischen Mauerbau und Mauerfall

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Als am 9. November 1989 vor dem Brandenburger Tor tausende Menschen aus Ost und West auf der Mauer tanzten, als Ost-Berliner in Sektlaune in den Westen strömen und den Kurfürstendamm eroberten, wurde schnell klar: Dies war das Ende der DDR. Doch es war auch das Ende einer Stadt, die wie keine andere das Symbol der deutschen Teilung, des Kalten Krieges, des Aufbruchs und des gesellschaftlichen Wandels war - des in Ost und West geteilten Berlin. Es war auch das Ende eines in der Geschichte einmaligen Sozialexperiments: Leben in einer in Friedenszeiten eingeschlossenen Stadt.


Als am 9. November 1989 vor dem Brandenburger Tor tausende Menschen aus Ost und West auf der Mauer tanzten, als Ost-Berliner in Sektlaune in den Westen strömen und den Kurfürstendamm eroberten, wurde schnell klar: Dies war das Ende der DDR. Doch es war auch das Ende einer Stadt, die wie keine andere das Symbol der deutschen Teilung, des Kalten Krieges, des Aufbruchs und des gesellschaftlichen Wandels war - des in Ost und West geteilten Berlin. Es war auch das Ende eines in der Geschichte einmaligen Sozialexperiments: Leben in einer in Friedenszeiten eingeschlossenen Stadt. Die zweiteilige Dokumentation "Die Insel" von Stefan Aust und Claus Richter in der Reihe "ZDF Zeit" schildert die wichtigsten und spannendsten Ereignisse aus knapp drei Jahrzehnten West-Berlin. "Es war", so die Autoren Aust und Richter, "ein bisschen Disneyland, ein bisschen Horrorkabinett, ein bisschen Museum, ein bisschen Weltstadt, ein bisschen Gartenlaube und ein bisschen Truppenübungsplatz. Ein vielfältiger Anziehungspunkt für die schrägen Vögel dieser Welt." Als US-Präsident John F. Kennedy im Jahr 1963 vor dem Schöneberger Rathaus seinen historischen Satz sagte: "Ich bin ein Berliner!", da sprach er über eine Frontstadt, aber auch über ein Lebensgefühl. Westberlin war mehr als eine eingemauerte Stadt. Es war ein Hort der Freiheit, ein Ort des trotzigen Widerstands. Unter den besonderen Lebensbedingungen dieser "Insel" entstand ein eigenes kulturelles und geistiges Klima, das Künstler und Abenteurer aus der ganzen Welt anzog. All das geschah vor einer besonderen politischen Kulisse: Berlin war ein kleiner Provinzstaat auf der großen Weltbühne des Kalten Krieges. Es war eine besetzte Stadt. Offiziell waren die obersten Entscheidungsträger bis zur Wiedervereinigung die Stadtkommandanten der Alliierten. Berlin war in Ost und West auch das Mekka der Spione: Hier wurden Agenten eingeschleust und ausgetauscht; hier kamen die Geheimdienstler aus aller Welt zu konspirativen Treffs zusammen, um auf gegnerisches Terrain vorzudringen oder um selbst Weltpolitik zu machen. Eine Insel - vom westdeutschen Festland aus nur per Flugzeug oder über streng kontrollierte Transitverbindungen zu erreichen. Berlin war um Haaresbreite der Ausgangspunkt für den Dritten Weltkrieg, aber es war auch eine Stadt des Aufbruchs, der Studentenbewegung, der Ideen und der Revolte. Es war die Stadt von Hildegard Knef, Harald Juhnke und Romy Haag, aber auch der radikalen Studenten Rudi Dutschke, Rainer Langhans, Fritz Teufel und Uschi Obermaier. In den 1970er Jahren wurde das Berliner Milieu zur Keimzelle des Terrorismus. West Berlin, das war die Stadt ohne Sperrstunde. Es war die Stadt eines Rolf Eden, des ewigen Playboys. Kultur und Subkultur konkurrierten, ergänzten und beharkten sich in West-Berlin. Aber, dank reichlicher Unterstützung aus dem fernen Westdeutschland konnte der Senat es sich leisten, beide zu fördern. Das hoch subventionierte "Schaufenster des Westens" war auch die Heimat großer Skandale, des politischen Filzes. Ebenso war die Stadt ein Magnet für Wirrköpfe und selbst ernannte Revoluzzer, die sich hier dem Wehrdienst ungestraft entziehen und den Aufstand als Hausbesetzer oder Autonome in der "Kreuzberger Republik" proben konnten. Die Autoren Stefan Aust und Claus Richter sprachen mit prominenten Zeitzeugen wie den früheren Regierenden Bürgermeistern der Stadt Richard von Weizsäcker, Walter Momper, Eberhard Diepgen und Klaus Schütz in seinem letzten großen Fernsehinterview vor seinem Tode, sie sprachen mit Politikern wie Egon Bahr und dem früheren US-Botschafter Richard Burt, mit Stars wie Ute Lemper, Gunter Gabriel oder Romy Haag, mit Protagonisten der Studentenbewegung wie Uschi Obermaier und dem Schriftsteller Peter Schneider, aber auch mit weniger prominenten Spionen, Regierungsbeamten, Bauunternehmern oder Taxifahrern, die mit ihren Schilderungen ein lebendiges Bild der geteilten Stadt wiederaufleben lassen. Er könne verstehen, sagt der Berliner Politiker Egon Bahr im Gespräch mit den Autoren, dass West-Berlin "für den Osten unerträglich" gewesen sei: "Dieses Juwel sah durch seinen Reichtum für die Bevölkerung jeden Tag so aus, wie wir uns nach dem Kriege die Schweiz vorgestellt haben: Reich, hell, Luxus!"- "Es war eine Stadt mit den kleinen Mietskasernen, mit den Narben des Zweiten Weltkrieges", erinnert sich dagegen Chansonsängerin und Schauspielerin Ute Lemper, "die da in den Osten gepackt und wie ein Gefängnis abgeschirmt war. West-Berlin, so Ute Lemper, sei "einfach stolz auf seine Hässlichkeit" gewesen. "Ohne die Existenz Berlins hätte eine Mauer nie fallen können", kommentiert der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, "insofern hat Berlin seine historische Funktion erfüllt." Die Dokumentation schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.  Geführt durch aufwendige Kameratechnik begibt sich der Zuschauer auf Spurensuche im heutigen Berlin. Der Film zeigt die Überreste der Mauer, besucht die zum Teil unveränderten Schauplätze, etwa die Bunker unterhalb West-Berlins, wo einst die "Senatsreserve" für den gefürchteten Angriff aus dem Osten lagerte, oder die Hallen des Flughafens Tempelhof, der damals West-Berlin mit der großen, weiten Welt verband. An den authentischen Schauplätzen erzählen die Protagonisten ihre Geschichten und Erlebnisse. Sie nehmen, unterstützt von zum Teil unveröffentlichten Archivmaterialien, den Zuschauer mit in die Zeit von Mauer, Stacheldraht und Schlaghosen. Musik aus dreißig Jahren, in Berlin produziert oder mit Berlin-Bezug, von Hildegard Knef über Udo Lindenberg bis zu den Rolling Stones und  David Bowie, gibt das Lebensgefühl jener Zeit in West-Berlin wieder.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Mittwoch, den 16.10.2019 um 06:00 Uhr auf phoenix.

16.10.2019
06:00
Audio-Format:stereo
Bild-Format:16:9
Farbe:farbe
Audio-Beschreibung: nein
Hörhilfe: nein
HDTV: nein
Logo-Event: nein
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Schlagwörter:Dokumentation/Reportage, Deutschland, Rückblick, Politik
Alternative Ausstrahlungstermine:
16.10.2019 06:00 Uhr phoenix