planet e.: Talsperren - die unterschätzte Gefahr
Talsperren und Staudämme gelten als Jahrhundertbauwerke und als sicher. Doch mit dem Klimawandel und neuen Überschwemmungen drohen Gefahren für die Bauwerke, auch in Europa.
Nicht erst nach einem Beinahe-Dammbruch in Kalifornien bewerten Ingenieure und Behörden weltweit die Risiken neu. Sie lassen Mauern verstärken und planen Szenarien für den "Worst Case". Wie sicher sind die meist über 100 Jahre alten Bollwerke hierzulande?
Sie sind die Giganten des Ingenieurbaus: Talsperren und Staudämme, die für die Energieerzeugung Flüsse und Seen aufstauen. In den nächsten Jahren stehen sie vor großen Herausforderungen: Der Klimawandel lässt Gletscher schmelzen, sintflutartige Regenfälle sind zu erwarten. Bis zu 500 neue Gebirgsseen sollen allein in der Schweiz entstehen. Die neuen Wassermassen gefährden die Menschen in den Tälern unterhalb der Staumauern. Felsstürze können in den kommenden Jahren sogenannte Schwallwellen auslösen, die tsunamiähnlich bis zum Rhein zu spüren sein könnten, warnt Professor Wilfried Haeberli, einer der renommiertesten Gletscherforscher in Europa. Er sieht die Gefahr, dass künftige Generationen zu wenig für den Erhalt von Talsperren tun. Doch Staudämme müssen laufend überwacht und gewartet werden.
So wie die "Grande Dixence" in der Schweiz, mit etwa 285 Metern die höchste Gewichtsstaumauer der Welt, so hoch wie der Eiffelturm. Das Schmelzwasser von 35 Walliser Gletschern rund um Zermatt staut sich vor dem Mammutbauwerk. Dr. Georges Darbre vom Schweizer Umweltministerium hat in den vergangenen Jahren die Betreiber angewiesen, einige Talsperren wegen der Erdbebengefahr baulich zu verstärken. Er verlangt Notfallpläne und Alarmketten. Nicht nur wegen des Klimawandels, sondern auch mit Hinblick auf mögliche Vandalismus- oder Terrorakte.
Welche verheerenden Folgen eine Überflutung durch einen Talsperren-See haben kann, zeigt das Unglück von Vajont in den italienischen Alpen, eine der größten Naturkatastrophen, die sich je in Europa ereignet hat. Dort sind 1963 mehr als 25 Millionen Tonnen Wasser über die Mauerkrone geschwappt. Eine 160 Meter hohe Flutwelle stürzte ins Tal, fast 2000 Menschen verloren ihr Leben. "planet e." besucht Micaela Coletti, eine der wenigen Überlebenden. Sie glaubt, dass damals übereifrige Politiker aus Geltungsdrang die Risiken verharmlost haben. Deshalb fordert Micaela mehr Sicherheit für die Staumauern in Europa.
Auch in Deutschland gibt es trotz genauer Kontrollen ein Restrisiko: Viele Anlagen sind mehr als 100 Jahre alt. Der beim Bau verwendete Trass-Kalk-Mörtel wurde im Lauf der Jahrzehnte immer weiter ausgewaschen. "Langfristig ein Stabilitätsproblem", sagt Prof. Volker Bettzieche von der Ruhr-Universität Bochum. Den deutschen Talsperrenbetreibern ist das Problem bekannt. Sie haben zusätzliche Betonschichten vergossen, Kontrolltunnel in die Staumauern gezogen und modernste Alarmsysteme installiert. Doch eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.
Die Autoren Volker Wasmuth und Patrick Zeilhofer fragen in "planet e." nach: Wie sicher sind Europas Talsperren wirklich? Reichen die vorhandenen Alarmsysteme aus? Brauchen wir solche Jahrhundertbauwerke überhaupt? Ist womöglich sogar ein komplettes Umdenken nötig, um die neuen Klimagefahren durch schmelzende Gletscher, Bodenerosion und schwere Unwetter in den Griff zu bekommen?
Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 12.02.2019 um 20:15 Uhr auf ZDFinfo.
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