Traumhäuser wiederbesucht

Ein Haus am Berg

Wir schreiben das Jahr 2008. Am Ortsrand des oberbayerischen Kurorts Bad Kohlgrub, direkt zu Füßen des Hörnle, in nächster Nähe zu den Wanderwegen und Pisten der Ammergauer Alpen und nur wenige Kilometer vom Staffelsee entfernt, findet das junge Bauherrenpaar Stefanie und Boris Alexy ein Grundstück in absolut idealer Lage. Doch die Lage bringt auch Nachteile mit sich. Die Gemeinde erlaubt keine Abweichungen von der vorherrschenden ländlich-bäuerlichen Bauweise - oder dem, was sie sich darunter vorstellt. Moderne Architektur ist in der Region selten, hier herrscht noch das Primat von Satteldach und hellem Putz.
"Die Vorstellung mancher oberbayerischen Gemeinde, wie denn ein typisches Haus auszusehen hat, gipfelt nicht selten in kitschiger Jodelromantik", berichten die Bauherren ein Jahr später von ihrem langen Kampf für die Umsetzung der eigenen Vorstellungen vom idealen Haus "zwischen Mainstream und Extrawurst". "Mainstream" ist bei dem Haus vor allem die Form: Der Riegel mit Satteldach erfüllt in Volumen, Dachform und Firstrichtung ordnungsgemäß die Vorgaben des Bebauungsplans. Doch dann kommen die "Extrawürste": die massiven Mauern aus Beton sind nicht verputzt, der Baukörper wirkt dadurch roh und felsig. Im Kontrast dazu lässt Architekt Wolf Frey das Dach förmlich schweben. Zwischen Haus und Dach verlaufen Glasbänder, auch die Giebel sind vollständig verglast - das Dach kann fliegen!
Viele Ortsansässige sind der Meinung, das Haus passe nicht in die Umgebung. Der Architekt widerspricht: Mit seiner monolithischen Form und dem rohen, steinernen Baumaterial passe das Haus hervorragend in die voralpine Umgebung. Zudem verkörpere es eine "Ästhetik des Praktischen", die regionaltypischer sei als Geranienbalkone und Lüftlmalerei. "Das Leben in den Bergen war immer hart, die Häuser mussten funktional sein, für Jodler-Dekor hatte niemand Sinn«, sagt Wolf Frey. Das sehen die jungen Bauherren ebenso. Auch für den Innenbereich haben sie sich einen zurück genommenen, schnörkellosen Stil "ohne Rüschen-Nachttischlampe und Häkeldecke" gewünscht, der dem herrlichen Ausblick auf satte Wiesen und das Hörnle eine adäquate Bühne bereitet: "Einfach, modern, schlicht". 2010 ziehen sie erschöpft aber glücklich endlich in ihr Traumhaus ein.
Vier Jahre später fährt Autor Andreas Ammer wieder nach Bad Kohlgrub, um das "Haus am Berg" zu besuchen. Und findet heraus, dass die Geschichte ganz anders ausgegangen ist, als alle erwartet hatten…

Die Sendung wird ausgestrahlt am Freitag, den 27.11.2020 um 13:30 Uhr auf ARD-alpha.