Vilnius

Spurensuche im Jerusalem des Nordens

Wenn man wissen will, wie die Sowjetunion auf dem jüdischen Erbe herumgetrampelt hat, muss man mit Amit Belaite auf Spurensuche gehen. Startpunkt ist der Sportpalast. Es ist eine Reise auf der Suche nach der verlorenen Zeit. "Und dein Vater hatte dich gewarnt?" - "Und mein Vater hat mich gewarnt: 'Tritt nicht auf diese Stufen!' Und ich habe mich gefragt: Warum?" Es gibt eine Generation, deren Wissbegier größer ist als der Schmerz. Und es weht ein neuer Wind durch Vilnius: Jetzt werden die Steine gesammelt - und wieder etwas in Ordnung gebracht. Niemand soll mehr auf jüdischen Grabsteinen herumtreten.


Wenn man wissen will, wie die Sowjetunion auf dem jüdischen Erbe herumgetrampelt hat, muss man mit Amit Belaite auf Spurensuche gehen. Startpunkt ist der Sportpalast. Es ist eine Reise auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

"Und dein Vater hatte dich gewarnt?" "Und mein Vater hat mich gewarnt: 'Tritt nicht auf diese Stufen!' Und ich habe mich gefragt: Warum?"

Es gibt eine Generation, deren Wissbegier größer ist als der Schmerz. Und es weht ein neuer Wind durch Vilnius: Jetzt werden die Steine gesammelt - und wieder etwas in Ordnung gebracht. Niemand soll mehr auf jüdischen Grabsteinen herumtreten.

Vilnius ist eine Stadt der Denkmäler, und pflegt seine Heroen. Manche werden geehrt wie John Lennon, andere nicht erwähnt, obwohl sie oder ihre Ahnen von hier stammen: Man könnte sich fragen, warum Lennon von den Beatles, der nie hier war, so ein Denkmal kriegt, und andere wie Leonard Cohen und Bob Dylan, deren Wurzeln in Litauen liegen, nicht vorkommen.

Der Bürgermeister in seinem Büro, hoch über der Stadt, ist schon einen Schritt weiter. Er versucht ständig, Juden aus aller Welt zu einem Besuch in der alten Heimat zu überreden. Wir fragen: "Halb Hollywood stammt doch von hier. Und ihr früherer Kollege Michael Bloomberg - war er schon hier?"

In allem liegt eine Wehmut und Sehnsucht, etwa wenn Amit durch das frühere Ghetto streift und in die Hinterhöfe schaut. Fast alle litauischen Juden starben, umgebracht von SS-Truppen und einheimischen Helfershelfern: "Ich weiß nicht, wer hier wohnte, vielleicht Deportierte oder Leute, die umgebracht wurden." (Amit Belaite)

Die Fotos auf der Hauptstraße des früheren Ghettos wurden zwischen den Ruinen gefunden, Szenen einer besseren Zeit: Man sieht glückliche Menschen - und keiner weiß, ob so ein Leben jemals wieder nach Vilnius zurückkehrt.

Die einzige Synagoge, die noch in Gebrauch ist: Es reicht auch ein Gotteshaus, für die kleine jüdische Gemeinschaft. Während der Sowjetzeit überlebt es als Lagerhalle für Arzneien: "Vilnius trug den Beinamen ‚Jerusalem des Norden'. Wir waren mal 250.000 Juden, fast jeder zweite Bewohner von Vilnius war Jude und wir hatten mehr als 100 Synagogen. Jetzt sind wir noch 2500 Leute in der Gemeinde. Wenn wir uns heute in der Siemens-Arena mit 10.000 Plätzen versammeln, dann sieht sie immer noch leer aus." (Simas Levinas, Vorsitzender der jüdischen religiösen Gemeinde Vilnius)

Amit hat für sich einen Weg gefunden, ihre Familie zu vergrößern, die so klein geworden ist: Großvater und Großmutter waren die einzigen Familienmitglieder, die den Holocaust überlebten, so dachte sie jedenfalls. Sie blättert im Familienstammbaum. Dorf findet sie auch die Schwester ihres Großvaters, die, wie sie erst jetzt weiß, erst vor einem Jahr gestorben ist. Film von Tilmann Bünz

Die Sendung wird ausgestrahlt am Freitag, den 24.05.2019 um 07:20 Uhr auf phoenix.