We Are All Detroit – Vom Bleiben und Verschwinden
2021Auf den ersten Blick erscheinen die beiden Städte Bochum und Detroit sehr verschieden. Doch beide sind stark durch die Autoindustrie geprägt. Als diese wegfiel, durchliefen beide Städte einen ähnlichen wirtschaftlichen Wandel, der bis heute andauert. Die Bewohner sind nach dem Wegfall der Industrie auf der Suche nach einer neuen Identität und vor allem nach einem glücklichen und würdevollem Leben.
„Die Opelaner verlassen die Fabrik“
Eine der ersten jemals gefilmten dokumentarischen Arbeiten heißt „Die Arbeiter verlassen die Fabrik“ und stammt von den Gebrüdern Lumière. Darin strömen Arbeiter:innen nach getanem Tagwerk aus dem Fabriktor und zerstreuen sich. Das war 1895. Was macht es mit den Menschen, wenn sie das Werkstor zum letzten Mal verlassen? So geschehen in Detroit und Bochum, wo die Standorte für die Autoproduktion aufgegeben wurden. In den USA zeugen heute bloß noch Ruinen davon, dass General Motors einst die ganze Stadt mit Arbeitsplätzen und Wohlstand versorgte. In Bochum werden die Gebäude abgerissen und ein Logistikzentrum errichtet.
In ihrer Langzeitbeobachtung „We are all Detroit – Vom Bleiben und Verschwinden“ halten die Ruhrgebiets affinen Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken den industriellen Wandel fest. Behutsam porträtieren sie Menschen, die ihren Heimatorten Detroit und Bochum die Treue halten und neue Perspektiven suchen.
Vom Regionalen zum Globalen
In ihrem Dokumentarfilm „Arbeit Heimat Opel“ (2012) stand der letzte Ausbildungsjahrgang von Opel im Mittelpunkt. Am Ende gab es die mediale Berichterstattung über die Schließung des Opelwerks in Bochum. „Da sah man immer diese silbernen Türme der Verwaltung von General Motors am Detroit River. Da haben wir gedacht, wir werden uns jetzt diese Stadt angucken, wo die Entscheidung über die Zukunft von Bochum gefällt worden ist“, sagt Loeken.
In ihren früheren Werken zeigten die Filmschaffenden die Folgen des Strukturwandels immer vor einem regionalen Hintergrund auf. „Aber jetzt war es glaube ich einfach so weit, dass wir den Sprung nach Detroit machen mussten. Dabei haben wir auch unglaublich viel gelernt über Globalisierung, Zusammenhänge, Vernetzung und so weiter,“ so Loeken weiter.
Dreharbeiten: Menschen und Orten Zeit geben
Sieben Jahren arbeiteten Franke und Loeken an ihrem neuen Film, den sie am Ende aus um die 130 Stunden Material kondensierten. Obwohl sie der amerikanische Zollbeamte bei der Passkontrolle mit den Worten „There ist nothing to see in Detroit“ begrüßte, verliebten sich die beiden unmittelbar in die Stadt.
Ihre Protagonist:innen finden Sie auf verschiedenen Wegen: durch Kontakte, Recherchen oder Zufall. „Wir bauen immer eine ganz tiefe Beziehung auf. Teils braucht es Jahre, bis sich die Menschen öffnen. Das beruht aber auf Gegenseitigkeit: Wir geben von uns natürlich auch ein Stück weit her. Manchmal hat man aber auch Glück und es reicht eine Fünfminutenbegegnung“, beschreibt Franke ihre Erfahrungen. Dabei arbeitet das kleine Filmteam sehr minimalistisch: Sie kommen ganz ohne Kommentar oder Erklärungen aus. So kann man sich ganz auf die Bilder, die Töne und die Gesten der Menschen vor der Kamera konzentrieren.
Der Dokumentarfilm wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat „Besonders Wertvoll“ ausgezeichnet und lief bereits auf mehreren Filmfestivals, beispielsweise der Duisburger Filmwoche 2021.
Kinostart: | 29.10.2021 in Internationale Hofer Filmtage 12.05.2022 in Deutschland | ||||
---|---|---|---|---|---|
weitere Titel: |
| ||||
Genre: | Dokumentarfilm | ||||
Herstellungsland: | Deutschland | ||||
Originalsprache: | Deutsch, Englisch | ||||
IMDB: | 15 |
Regie: | Ulrike Franke | |
Michael Loeken | ||
Drehbuch: | Ulrike Franke | |
Michael Loeken | ||
Kamera: | Uwe Schäfer | |
Schnitt: | Guido Krajewski |
Wenn Sie diese Daten spenden möchten, dann wenden Sie sich gerne an uns.