Slow – Langsam ist das neue Schnell

2013
Rezension zu Slow – Langsam ist das neue Schnell
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Dokumentarfilme sind meist dann ein Erfolg, wenn sie von Tieren und Naturschauspielen handeln. Bei »Slow« müsste das also eine sichere Bank sein, denn auch »Slow« ist ein Tierfilm. Und ist er doch nicht. Die Kamera zeigt Schnecken, in Wirklichkeit aber hat Regisseur Sascha Seifert einen Film über den Menschen und die Wahrnehmung von Zeit gedreht. Eine filmische Meditation, der man sich anvertrauen darf. Dabei Einzuschlafen wäre zwar schade, aber irgendwie in Ordnung.

Es gibt fern des Rummels von Preisverleihungen und Rankings Momente, die Film zu etwas Einzigartigem werden lässt. Es sind gerade die dokumentarischen Arbeiten, denen diese Macht innewohnt. Der in Stuttgart entstandene Film »Slow« von Regisseur Sascha Seifert ist so ein Beispiel. Es geht darin - um Schnecken. Fast 90 Minuten lang. Keine Naturwissenschaftler im Interview, keine Zahlen und Fakten aus dem Off. Kriechende Schnecken. Und Musik. Und wir. Und wer das Experiment wagt, wird sich wie ein anderer Mensch fühlen.

Im Stuttgarter Stadtpark haben Seifert und die Crew der hier ansässigen Mouna Filmproduktion ihre Hauptdarsteller gefunden. Eine stressfreie Sache, könnte man meinen. Doch die Schnecken, die sich scheinbar für alles ihre Zeit lassen und davon viel, stellten auch die Filmcrew immer wieder auf die Geduldsprobe. Schnecken sind nämlich Tiere, die recht wählerisch sind, wann und wo sie auf ihre langsame Wanderung gehen. Das Ergebnis ist großartig - vor allem gemessen an den minimalen logistischen Aufwendungen. Dass der Film besonders klimaneutral entstanden sei, betonen die Produzenten gerne - man fand das Sujet, seine Darsteller und die ideale Bühne quasi direkt vor der Haustüre.

Was Seifert dann bei seinen Drehsessions im Stuttgarter Wald einfangen konnte, führt uns Tiere vor, über die man meist kaum spricht und schon gar nicht groß nachdenkt. Doch der Film will ja nicht nur eine Tierdoku sein, will nicht nur als Erweiterung des Biologie-Unterrichts in Erinnerung bleiben. »Slow« will mehr: er will Ruhe schenken. Unterlegt mit nicht nur entspannender, sondern durchaus anregender Musik (alle gefunden bei der Internetplattform Soundcloud), ergibt sich so ein filmischer Essay über die Geduld. Also über die Ruhe - da stimmt die Floskel -, in der die Kraft liegen soll. Spannender als solche Plattheiten sind die Textstellen des buddhistischen Mönchs Thich Nhat Hanh, die in den filmischen Überblenden als gedankliche Anker eingesetzt wurden. Sie erklären den philosophischen Hintergrund des Filmes und verstärken die Intention seiner Macher: Enschleunigung ist das Ziel. Der Weg dahin: sich Zeit zu lassen.

Die Einzigartigkeit der Schnecken wird wie nie zuvor anschaubar. Und in ihrer zielstrebigen Tempoverweigerung pflanzen diese Bilder in unseren Herzen einen beruhigenden Keim: Es ist doch gut, wenn Du langsam bist.

Willkommen im Schneckentempo.

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Kinostart:23.05.2013 in Deutschland
23.05.2013 in Deutschland
weitere Titel:
Slow – Langsam ist das neue Schnell
Slow
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch
Offizielle Webseite:slowthefilm.com
Regie:Sascha Seifert
Drehbuch:Sascha Seifert
Kamera:Sascha Seifert
Schnitt:Sascha Seifert
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Rezensionen:

Datenstand: 14.05.2022 15:10:20Uhr