Geheimnis Kanzlerbungalow

Quelle: ARD-Pressebild
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Ein "Unikum" sei er gewesen. "Einzigartig" sagt Egon Bahr über den schlichten Bungalow, der verborgen zwischen Bäumen im Bonner Regierungsviertel steht. Ein Ort, wo sich die Kanzler von Ludwig Erhardt bis Helmut Kohl zu vertraulichen Gesprächen trafen, abseits von den Augen der Öffentlichkeit. Wo Krisenstäbe tagten und sich Staatsgäste von Breschnew bis Gorbatschow auf dem Sofa niederließen. Das Wohnzimmer der Mächtigen. Hier wurde Politik gemacht, hier hingen Stasi-Spitzel in den Telefonleitungen, hier wurde die Deutsche Einheit vorbereitet: der Kanzlerbungalow in Bonn.
Ein Bau, der aufgrund seiner Bescheidenheit von Anfang an die Gemüter spaltete. Was die einen als "Hundehütte" bespöttelten, war für die anderen Ausdruck einer neuen demokratischen Offenheit - ganz anders als die Berliner Prachtbauten der Nationalsozialisten. Als Erhard 1963 zum Kanzler gewählt wurde, stellte sich die Frage nach einer angemessenen Dienstwohnung. Den Architekten wählte Erhardt selber aus: Sep Ruf, der schon sein Privathaus am Tegernsee gebaut hatte.
Doch die moderne Schlichtheit und Offenheit, die Erhardt schätzte, kam bei den meisten seiner Nachfolger nicht an: Kiesinger beauftragte eine Innenarchitektin, die das Haus gemütlicher machen sollte - mit schweren Stilmöbeln, Häkeldeckchen und Antiquitäten; Willy Brandt ließ sich ein Attest ausstellen, um nicht einziehen zu müssen. Die Schmidts hingegen mochten das schlichte Design; Helmut Kohl fand den Bungalow schlicht "absurd" - blieb aber dennoch am längsten dort wohnen.
Auch, wenn der Bau nach allen Seiten verglast war und Offenheit suggerierte - das Gelände rund um den Bungalow und das Palais Schaumburg war abgesichert wie ein Hochsicherheitstrakt. Niemand kam ungesehen hinein. In den Zeiten des RAF-Terrors wurde eine Panzerglasscheibe vor die Terrasse gesetzt. um den Kanzler vor Angriffen von der anderen Rheinseite zu schützen. Allen Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz: Die Stasi hörte mit. Allein zwischen 1982 und 1989 sollen mehr als 9.000 Seiten Telefonprotokolle zu Papier gebracht worden sein.
Doch unbemerkt von den eifrigen Spitzeln wurden im Kanzlerbungalow die Weichen für die Deutsche Einheit gestellt. Beim Spaziergang durch den Garten mit Blick auf den Rhein sollen sich Michail Gorbatschow und Helmut Kohl in der "deutschen Frage" näher gekommen sein.
Film von Ulrike Brincker

Die Sendung wird ausgestrahlt am Freitag, den 02.06.2023 um 21:00 Uhr auf WDR.