Lagos - Tanger: Reise ohne Rückfahrschein

Frankreich/Nigeria 2021

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Ike Nnaebue ist ein bekannter „Nollywood“-Regisseur, ein prominenter Vertreter des nigerianischen Films. Als junger Erwachsener wollte er nach Europa auswandern - in seinem Dokumentarfilm macht er sich erneut auf die gleiche Reise, die ihn vor über 20 Jahren von Nigeria über Benin, Burkina Faso, Togo, Mali und Mauretanien bis nach Tanger in Marokko führte.
Nnaebue stammt aus einer polygamen Igbo-Familie und verlor seinen Vater sehr früh. Mit 13 musste er die Schule verlassen und als Lehrling bei einem Ersatzteilhändler arbeiten. Nach Igbo-Tradition sollte ihm dieser bei Volljährigkeit finanziell dabei helfen, sein eigenes Geschäft aufzubauen; allerdings hielt er nicht Wort. Nnaebue war 18 und bereit, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, als sich seine Zukunftsaussichten auf einmal in Luft auflösten.
Über Freunde hörte er von der Möglichkeit, auf dem Landweg nach Europa zu gelangen. Er hörte auch Geschichten von jungen Nigerianern, die in einer Stadt namens Las Palmas auf einer spanischen Insel als Erntehelfer arbeiteten und Geld und Autos nach Hause schicken konnten. Das war 1998. Gemeinsam mit drei Freunden machte sich Ike auf den Weg. Ihr Plan war einfach: erst nach Cotonou in Benin, dann über Togo, Burkina Faso, Mali, Mauretanien bis nach Tanger in Marokko, dem Tor zu Europa.
Doch in Bamako traf er auf einen Fremden, der ihn vor den Gefahren eines solchen Vorhabens warnte. Ike beendete die Reise - Europa hat er nie erreicht.
Ohne Geld nach Nigeria zurückzukehren, war allerdings ausgeschlossen. Nnaebue verbrachte zwei Jahre in Gambia, wo er an einigen Theater- und Filmproduktionen mitarbeiten konnte. Mit 21 wusste Nnaebue, was er werden wollte, und kehrte zu seiner Familie zurück.
Im Vergleich zu damals liefern die sozialen Netzwerke und das Fernsehen zahlreiche Bilder von Versklavung, Missbräuchen und anderen an Migrantinnen und Migranten verübten Gräueltaten - niemand kann heute die Gefahren einer solchen Reise ignorieren. Ike Nnaebue macht sich deshalb auf den gleichen Weg wie damals, um zu verstehen, was so viele junge Afrikanerinnen und Afrikaner heutzutage trotz allem zur Migration bewegt.
Die Migration vom jungen Kontinent Afrika ins alternde Europa wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Was genau in den Köpfen und in den Herzen junger Afrikanerinnen und Afrikaner vorgeht, wenn sie ihrer Heimat den Rücken kehren und die gefährliche Reise nach Europa antreten, versucht die Filmreihe "Generation Africa" herauszuarbeiten. Junge afrikanische Filmemacherinnen und Filmemacher dokumentieren selbst – nicht nur das Leben in ihren Ländern, sondern auch die Probleme und Träume.
Dem nigerianischen Regisseur Ike Nnaebue gelingt es in seinem Film "Lagos-Tanger", die aktuellen Fluchtursachen zu benennen: Neben Arbeitslosigkeit und durch die Pandemie zugespitzte wirtschaftliche oder gesellschaftliche Notlagen sei es familiärer Druck, der auf der jungen Generation laste. Die Sehnsucht nach Freiheit kommt dazu. Auf der gleichen Route, die er als 18-Jähriger genommen hatte, um Europa zu erreichen, reist er über 20 Jahre später von Lagos in Nigeria über Benin, Burkina Faso, Togo, Mali und Mauretanien erneut bis nach Tanger in Marokko.
Viele weitere junge afrikanische Filmtalente machen sich für "Generation Africa" auf die Suche nach der Geschichte ihrer Wurzeln, sprechen von Vertreibung und Flucht, von Heimat und dem Ankommen in der Fremde. Was motiviert junge Menschen zu gehen, was hält sie in der Heimat? Insgesamt 25 Dokumentarfilme entstanden für die Reihe, viele davon längst preisgekrönt, wie "Zinder" über jugendliche Gangs in einer Stadt in Niger oder "Die letzte Zuflucht" über das Haus der Migranten im westafrikanischen Mali. Einfühlsame, mitreißende und überraschende Innenansichten von afrikanischen Filmemacherinnen und Filmemachern.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 14.06.2022 um 20:15 Uhr auf arte.

14.06.2022
20:15
Livestream
Alternative Ausstrahlungstermine:
14.06.2022 20:15 Uhr arte