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Woran scheitert weltweiter Corona-Schutz?

Quelle: ARD-Pressebild
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Der Internist und Rettungsmediziner Tankred Stöbe war seit Ausbruch der Pandemie im Jemen und in Malawi gegen Corona im Einsatz. Vor Ort half er Hygienemaßnahmen zum Schutz gegen Corona aufzubauen und einzuhalten. Über seine Erfahrungen berichtet er im Gespräch mit Julia Grimm.
Stöbe war für die Nichtregierungsorganisation (NGO) Ärzte ohne Grenzen im Ausland unterwegs. Von 2007 bis 2015 war er als Präsident der deutschen Abteilung der NGO aktiv, danach bis 2018 Mitglied des internationalen Vorstandes. Die Organisation ist derzeit in mehr als 70 Ländern der Welt vertreten und entsendet dorthin Ärzt:innen, Pflegepersonal und zahlreiche andere Fachleute.
Die beiden Staaten Jemen und Malawi, in die Stöbe reiste, zählen zu den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries). Diese Entwicklungsländer sind häufig von Krieg und Elend geprägt und daher besonders arm. So können sie kaum die teuren Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus finanzieren. Auch die Beschaffung von ausreichend Impfstoff ist fast unmöglich, denn in Malawi leben etwa 20 Millionen Menschen, Jemen hat über 30 Millionen Einwohner.
Forderung nach mehr Solidarität
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte Ende Juni im BR24-Interview eine "Welt-Initiative Impfstoffe für Afrika" gefordert. Es gebe zwar bereits Initiativen, diese würden allerdings nicht ausreichen. Deshalb müssten die Industriestaaten über den eigenen Tellerrand schauen, meint Müller. Auf dem afrikanischen Kontinent sind derzeit nur knapp drei Prozent der Bewohner geimpft.
Deutschland stellt deshalb "knapp 2,1 Milliarden Euro zur Entwicklung, Produktion und weltweit gerechten Verteilung von Covid-19-Impfstoffen, Diagnostika und Therapeutika zur Verfügung", wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mitteilte. 980 Millionen davon fließen in COVAX Facility. Die Plattform kümmert sich um die Verteilung von Impfstoffen. Ziel dabei ist es, den 92 ärmsten Ländern bis Ende 2021 1,3 Milliarden Impfdosen zur Verfügung zu stellen, sodass bis Ende 2021 mindestens 20 Prozent der Einwohner dieser Länder geimpft sind.
Entwicklungsminister Müller in Westafrika
Minister Müller war Mitte Juni nach Westafrika gereist und hatte sich in Togo, Sierra Leone, Gambia und dem Senegal ein Bild von der Lage vor Ort verschafft. In Dakar, Senegals Hauptstadt, bereitet ein von der Weltgesundheitsorganisation WHO zertifizierter Impfstoffproduzent die eigene Herstellung eines Vakzins vor. Laut Konzept plant das Institut Pasteur erste Abfüllungen für April 2022, parallel soll die Produktion aufgebaut werden. Der Hersteller ist international anerkannt und stellt bereits Impfstoffe gegen das Gelbfieber sowie Corona-Tests her.
Der Bundesentwicklungsminister lobte diese Entwicklung. Er meint: "Wir brauchen dringend Impfstoff 'Made in Africa'", da die Pandemie noch länger als einige Monate andauern werde.
Afrika profitiert auch von Seuchen-Erfahrung
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Wie David Schwake, Generalsekretär der Deutschen Afrikastiftung, berichtet, habe die Corona-Pandemie keine größere Gesundheitskrise in Afrika ausgelöst. Durch die Erfahrungen mit Seuchen wie Ebola sei man vor Ort mittlerweile besser vorbereitet.
Ein größeres Problem sei der Zusammenbruch der Wirtschaft. Derzeit herrscht die erste schwere Rezession seit 25 Jahren, da der Tourismus und Rohstoff-Export durch die Corona fast vollständig zum Erliegen gekommen ist. Das würde die Zahl an Menschen, die in äußerster Armut leben, um etwa 30 Millionen steigern, schätzt Schwake im Bayerischen Rundfunk.
Corona-Aufklärung besonders wichtig
Viele Menschen in am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries) können sich keinen Arztbesuch leisten. Auch verlässliche Informationsquellen rund um das Corona-Virus sind selten und daher schwer zu erreichen. Daher gibt es NGOs wie Ärzte ohne Grenzen oder engagierte Einzelinitiativen wie von Kardiologe Marwan Al-Ghafory. Der deutsch-jemenitische Arzt lebt
und arbeitet seit 2011 in Deutschland.
Von Essen in Nordrhein-Westfalen aus, versorgt er die Menschen im Jemen mit neuesten Corona-Erkenntnissen und erklärt sie ihnen. Er ist zwar kein Virologe, aber sein medizinisches Fachwissen hilft ihm dabei. Auf Facebook und Twitter hat er hunderttausende Follower. Außerdem ist er auf der App Tabiby, zu Deutsch "Mein Arzt", aktiv. Dort können mittellose Menschen kostenlos Kontakt zu Fachärzten aufnehmen.
Im Jemen herrscht seit Jahren Krieg. Viele der Konfliktparteien verharmlosen die Pandemie und ihre Folgen oder nennen sie Propaganda, die die Kämpfer demoralisieren sollen. Für die Zivilgesellschaft ist daher die Arbeit von Al-Ghafory und seinem Team besonders wichtig. Er sagt: "Wir nahmen uns der Aufgabe an, unser vergessenes Volk über Covid-19 aufzuklären."
Weiterführende Links und Quellen
tagesschau.de: Coronavirus-Zahlen im Überblick
BR24: Minister Müller fordert "Welt-Initiative Impfstoffe für Afrika"
tagesschau.de: Jemens Corona-Experte aus Essen
ZDF: Corona - Steigende Zahlen im Ausland
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Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 05.08.2021 um 09:45 Uhr auf phoenix.