Mit dem Zug durch den Norden Polens

Quelle: ARD-Pressebild
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"Rybak", der Fischerszug - so nennen die Polen liebevoll ihren Bummelzug. Er nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise quer durch den Norden Polens. Zwölf Stunden - von Stettin im Westen bis nach Bialystok im Osten.
Der Zug durchquert Hinterpommern, das verträumte Kaschubenland, streift die weite, wilde Ostseeküste mit ihrer berühmten Dreistadt am Meer: den Seebädern Gdynia, Sopot, Danzig. Danach geht es weiter durch die magischen Masuren mit ihren mehr als 3.000 tiefblauen Seen. Wir tauchen ein in die majestätischen Wälder Westpreußens. Luchse, Elche, Wölfe und die letzten europäischen Bisons streifen hier durch die Wildnis. Dreihundertjährige Eichen - groß wie Kathedralen - spenden Schatten. Wir treffen eine Familie, die auf geheimen Plantagen im Wald aromatische Halme züchtet, die später im Wodka landen: Das Büffelgras. Und wir begegnen einer heilenden Flüsterin. Die 91-jährige Anna Bondaruk ist eine von ihnen. Die "Flüsterhexen" - auf polnisch Szeptuchas, haben in Regionen wie dem orthodox geprägten Podlachien regen Zulauf.
Tief im Osten, in der Nähe der Endstation Bialystok verbirgt sich eine Zeitkapsel aus der Zarenzeit in einem der letzten ursprünglichen Wälder Europas, im Bialowieza-Nationalpark - früher das Lieblings-Jagdrevier des letzten russischen Zaren Nikolaus II.
Michal Drynkowski macht die Zeitreise möglich. Der Schreiner investierte in das historische Zaren-Bahnhofsgebäude, in alte Schlaf - und Salonwagen, um sie in ein Gourmetrestaurant zu verwandeln. Dabei machte er eine Entdeckung: Aus Versehen kaufte er aus DDR-Beständen den von Ferdinand Porsche designten Wagon von Adolf Hitler.
Im Zug treffen wir auf Roswitha Poschmann. In den 40er-Jahren wurde sie in Leba geboren und musste wie viele andere Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg flüchten. Auf der berühmten 40 Meter hohen Lotzke-Düne belieferte ihr Vater, als "fliegender Bäcker" bekannt, eine Segelflugschule mit frischen Brötchen. Heute hat die polnische Familie Plotka die alte deutsche Bäckerei übernommen und Roswitha zu einer Erinnerungsreise in die ehemalige Backstube ihres Vaters eingeladen.
Wir treffen den kaschubischen Bootsbauer Jacek Struck - einer von zwei Bootsbauern weltweit, die noch wissen, wie man die traditionellen Pommernboote baut.
Mit Piotr Sobacynski fangen wir baltisches Gold (Bernstein) an einem der Hot Spots auf der Frischen Nehrung. Eine kleine Sensation: auch ein in Bernstein eingeschlossener Vogel wurde hier schon entdeckt. Ein geheimnisvoller Zeuge aus Zeiten, lange bevor die Menschen die Erde betraten.
Mit einem zugereisten Polen begeben wir uns auf Spurensuche: Eine einsame Halbinsel in den Masuren beherbergt Wildpferde. Der aus Mali stammende Mamadou Bah lebt seit 30 Jahren in Polen und hat hier seine Heimat gefunden. Er ist Direktor der zoologischen Zucht- und Forschungsstation Popielno. Die letzten europäischen Wildpferde werden hier rückgezüchtet und ausgewildert.
Wir lernen auch Menschen kennen, die nie weg wollten aus der Region. Ostpreußen, wie Paul Gollan, die als deutsche Minderheit die Zeit des Kommunismus unbehelligt im Ermland lebten. Auch mit seinen 85 Jahren schwingt sich Paul heute noch beherzt auf seinen Mähdrescher. Der Hof mit seinen Rindern, Milchkühen und Schafen muss ja schließlich bewirtschaftet werden.
Malerische Landschaften und Begegnungen mit Menschen, die stets Neues versuchen, in einem Land, das voll ist von Vergangenheit und Aufbruch zugleich.
Film von Kristin Siebert

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 13.05.2021 um 12:15 Uhr auf Radio Bremen TV.