Wrangel Island - Im Treibhaus der Arktis

Russland

Bei Wintertemperaturen bis unter -40 Grad Celsius leben mehr als 1.000 Polarbären, Moschusochsen und Rentiere neben Walrosskolonien, Robbenfamilien, Polarfüchsen, Wölfen und unzähligen kleineren endemischen Tier- und Pflanzenarten auf einer 7.608 Quadratkilometer großen "Arche Noah" der letzten Eiszeit. Zahlreiche Fossilienfunde belegen, dass auf der Wrangel-Insel noch bis vor knapp 3.500 Jahren das Mammut in der arktischen Tundra graste und in der Abgeschiedenheit der Tschukschensee 6.000 Jahre länger überlebte als im restlichen Eurasien.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts geriet der in Vergessenheit geratene Archipel wieder ins Blickfeld, als der baltische Polarforscher und Navigator Ferdinand Petrovitsch Baron von Wrangel im Auftrag von Alexander I. das östliche Ende des Zarenreiches karthografieren sollte.
Zwei Jahre lang bereits hatte der Baron Vogelschwärme beobachtet, die von der Beringstraße kommend gen Norden aufs offene Polarmeer hinausflogen. An Hinweisen von einheimischen Tschukschen fehlte es nicht, allein die Insel blieb in den Eisstürmen der Ostsibirischen See verschollen. Erst 60 Jahre nach Wrangels vergeblicher Suche erreichte der Walfänger Thomas Long die abgelegene Insel und benannte sie nach dem baltischen Adligen.
1926 schließlich errichteten sowjetische Truppen die Siedlung "Ushakovskoe" an der Südküste der Insel, in der noch bis zum Ende der Sowjetunion knapp 100 Fischer, Robben- und Walfänger lebten. Heute dient die Insel als Stützpunkt für eine Handvoll Wildhüter des "Wrangel Biosphären Reservates". WWF und russische Naturschützer initiierten bereits 1976 das Naturschutzprojekt "Ostrova Wrangel Zapovednik", um das Eiland und die benachbarte Herald-Insel vor den Begehrlichkeiten internationaler Ölmultis zu schützen, die unter den Gewässern um das Reservat gigantische Vorkommen fossiler Brennstoffe vermuteten.
2004 erklärt die UNESCO das Gebiet um die Wrangel-Insel schließlich zum nördlichsten Weltnaturerbe. Heute gilt das Eiland als letztes völlig unberührtes Biotop für Polarbären, hier bekommen sie ihre Jungen, haben keine natürlichen Feinde. Doch die Zeiten, in denen der Polarbär lediglich mit den Herausforderungen seines Ökosystems konfrontiert war, sind längst vorüber. Der mächtigste Räuber des Nordens hat den Kampf um Lebensraum - und damit womöglich um seine Existenz - schon längst verloren. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Packeisgrenze in den Sommermonaten um über 100 Kilometer nach Norden verschoben, das Eis kehrt jedes Jahr später zurück. Die Klimaerwärmung entzieht so dem "König der Arktis" die Nahrungsplattform. Das Eis schmilzt den Bären buchstäblich unter den Tatzen weg.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Samstag, den 16.01.2021 um 14:15 Uhr auf phoenix.