Lebenslinien

Türkische Wurzeln, bayerisches Herz

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Als Sohn türkischer Gastarbeiter in München wächst Erkan bei einer bayerischen Pflegemutter in Reichertshofen in der Hallertau auf. Seine ersten sechs Lebensjahre sind geprägt von Kirchenglocken, Apfelstrudel, Lederhosen, Blasmusik und Schwammerln suchen. Erkan spricht perfekt Bayerisch, Türkisch kann er kaum. Seine Eltern sieht er nur am Wochenende, wenn sie gerade nicht Schicht arbeiten. Eines Tages aber stehen sie vor der Tür und wollen mit ihm in die Türkei zurück.


Als Erkan mit sechs Jahren aus seiner bayerischen Pflegefamilie gerissen wird, spürt er am eigenen Leib, was es bedeutet, sich in keiner Kultur dazugehörig zu fühlen. Seine Eltern schreiben ihn auf einer türkischen Schule ein, doch weil er die Sprache nicht kann, wird er auf eine Sonderschule geschickt. Er sei "lernbehindert", heißt es. Nur mit viel Willenskraft und einer guten Lehrerin schafft er es, sich von diesem negativen Stempel des dummen und noch dazu ausländischen Förderkinds zu befreien. Er macht den Hauptschulabschluss und dann eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann.
Heute lebt Erkan mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München und arbeitet in einem Eisenbahn-Transportunternehmen. Er hat es geschafft, seine schmerzhaften Erfahrungen in der Kindheit und Jugend in positive Bahnen zu lenken, indem er sich für Toleranz und die Begegnung der Kulturen und Religionen einsetzt: Er engagiert sich in der muslimischen Vereinslandschaft in München, ist Mitglied im Münchner Forum für Islam und sitzt im Münchner Migrationsbeirat.
Erkan sieht sich mittlerweile als Gastgeber - und nicht mehr nur als geduldeten Gast: "Fremd bin ich nur dann, wenn mich andere zum Fremden machen."

Die Sendung wird ausgestrahlt am Montag, den 30.03.2020 um 22:00 Uhr auf BR.