Rituale der Welt
Sevilla - Im Bann der Prozessionen
Starke Momente, starke Gefühle: In der Karwoche ziehen gewaltige Prozessionen durch Sevilla. Neun Tage lang tut die Stadt Buße. Die Bürger von Sevilla haben eine besondere Art, diesen schmerzvollen Leidensweg Jesu zu begehen. Seit dem Mittelalter erleben die Menschen von Sevilla die Passion Christi am eigenen Leib: Denn die Männer tragen die sogenannten Pasos, gewaltige, über zwei Tonnen schwere Schreine mit biblischen Motiven, durch die Straßen.
In Sevilla erlebt Anne-Sylvie Malbrancke eines der wichtigsten Buße-Rituale des Christentums: die Semana Santa. Eine Woche vor Ostern wird damit Jesus Christus' Tod und Auferstehung gefeiert. Von Palmsonntag bis Ostersonntag gibt es zahlreiche Prozessionen. Geleitet werden sie von jeweils einer der 60 christlichen Bruderschaften der Stadt.
José ist Teil einer solchen Bruderschaft. Er ist Costalero und wird zusammen mit den anderen Mitgliedern seiner Gemeinschaft einen sogenannten Paso durch die Straßen der Stadt tragen. Dabei handelt es sich um einen gewaltigen Schrein, der über zwei Tonnen wiegt und ein biblisches Motiv abbildet.
Einige Stunden bevor das Ritual beginnt, treffen sich die Costaleros von Josés Bruderschaft vor der Kirche ihrer Gemeinde. Ihr Leiter, Juanma, gibt letzte Anweisungen. Alle stellen sich darauf ein, körperliche Schmerzen zu durchleiden. In wenigen Augenblicken werden sie die Kirche betreten und unter ihrem Paso verschwinden, den sie über fünf Stunden lang tragen müssen.
Draußen haben sich bereits Menschenmassen versammelt, um die vorbeiziehenden Pasos anzuschauen und vor den religiösen Szenen, die sie darstellen, zu beten. In den Gesichtern der Menschen sieht man, dass es hier um weit mehr geht als um den Tod Jesu: Es geht um innere Einkehr und sehr viel Freude. Der Frühling wird begrüßt, das Leben wird empfangen. Überall auf der Welt haben Menschen Rituale geschaffen, die verbindend und sinnstiftend wirken. Sie behandeln zentrale Themen wie Geburt, Übergang ins Erwachsenenalter, Vereinigung, Behauptung der eigenen Identität, den Lauf der Jahreszeiten und den Tod. Vom Inselstaat Samoa, wo sich Menschen unter großen Schmerzen tätowieren lassen, um Teil der Gemeinschaft zu werden, über Bolivien, wo Kämpfe ausgetragen werden, um den Boden fruchtbar zu machen, und Äthiopien, wo die Menschen schwindelerregenden Höhen trotzen, um ihr Kind vor Gott zu bringen, bis Papua-Neuguinea, wo Feuertänze aufgeführt werden, um Abschied von den Toten zu nehmen - die Anthropologin Anne-Sylvie Malbrancke nimmt die Zuschauer mit an verschiedene Orte der Welt, wirft einen Blick auf die dortigen Rituale und entschlüsselt sie gemeinsam mit den Menschen, die sie feiern.
Die Sendung wird ausgestrahlt am Montag, den 17.02.2020 um 17:20 Uhr auf arte.
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