Vom Bauen in den Bergen (2/4)
Neue alpine Architektur in Südtirol
Jenseits von Dirndl-Architektur und Chalet-Kitsch gibt es in den Alpen viele neue aufregende Entwicklungen. In den letzten 20 Jahren haben sich Architekten zwischen Dolomiten und Wettersteinmassiv, zwischen Walliser Alpen und Montblanc auf ihre baukulturellen Wurzeln besonnen und die kraftvolle Ästhetik einer ursprünglichen Bauweise wiederentdeckt, die von funktionaler Schlichtheit geprägt ist und wenig mit den weit verbreiteten folkloristischen Auswüchsen zwischen Zirbelstubenromantik und Lüftlmalerei zu tun hat.
In Südtirol hat sich eine junge, sehr dynamische Architektenszene entwickelt. Sie ist experimentierfreudig, weltoffen und doch stark verwurzelt in der Heimat und ihren baulichen Traditionen. Da ist zum Beispiel Ulla Hell aus Sexten, Partnerin im internationalen Architektenbüro plasma studios. Ihre plastisch ausgeformten Baukörper sind originell und doch mit der Landschaft verbunden. Sie hat in Südtirol ganz unterschiedliche Wohnhäuser entworfen, die eines verbindet: ein deutlich erkennbarer Gestaltungswille und die Bereitschaft, sich sensibel mit den Gegebenheiten vor Ort auseinanderzusetzen.
Auch Architektenbüros wie bergmeisterwolf, MoDus Architects oder Höller & Klotzner bauen innovativ, aber immer im Dialog mit Tradition und Topographie. Ob sich die Gebäude in die Hänge eingraben, die Berge spiegeln, wie etwa die Mirror Houses von Peter Pichler, oder ihre Form nachahmen, wie der Salewa-Firmensitz in Bozen, stets gelingt es den Architekten, ausdrucksstark und doch zurückgenommen zu bauen. Das gilt auch für die vorgestellten Werke der Südtiroler Altmeister Werner Tscholl und Matteo Thun.
Auch in Südtirol stellt das zeitgemäße Bauen im hochalpinen Bereich eine zentrale Herausforderung dar. Die Vorteile, die nicht zuletzt neue Materialien wie etwa die Dreifachverglasung mit sich bringen, sind nicht von der Hand zu weisen. Energieeffizienz und Autarkie durch hochwertige Dämmung, Solarenergie und Brauchwasserwiederaufbereitung sind Errungenschaften, die auf fast 3.000 Metern Höhe noch wichtiger sind als im Tal.
Trotz einer vitalen Szene einheimischer Baumeister leisten sich auch die Südtiroler importierte Stararchitektur: Auf dem Kronplatz hat Zaha Hadid vor kurzem ein neues Museum für Reinhold Messner gebaut. Das Bauen in den Bergen war schon immer eine besondere Herausforderung. Ein unberechenbares, oft raues Klima, unwegsames Gelände und oftmals schwierige wirtschaftliche Verhältnisse haben gerade in den Alpen einen ganz eigenen Stil geprägt. Der Anspruch, diese besondere Bautradition in eine moderne, zeitgemäße Formensprache zu übersetzen, hat wegweisende innovative Beispiele hervorgebracht, die international Beachtung fanden.
Die Dokumentationsreihe "Neue alpine Architektur" bietet erstmals einen Gesamtüberblick über die wichtigsten Neuerungen in den Regionen Graubünden, Tessin, Vorarlberg, Tirol, Südtirol, Oberbayern und dem Allgäu.
Die Sendung wird ausgestrahlt am Sonntag, den 15.12.2019 um 04:25 Uhr auf arte.