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Quelle: Pressebild (zdfPresse)
Quelle: Pressebild (zdfPresse)

Die Wiener Staatsoper feiert in diesen Tagen ausführlich ihren 150. Geburtstag. Wie kam es zum Bau des Prachtgebäudes am Ring und welche Entwicklungen hat die Oper durchgemacht?

Über die Droge Oper, die bewegte Vergangenheit und aufregende Zukunft des Hauses, über Tradition und Moderne erzählen die hochkarätigen Gäste Christa Ludwig, Anna Netrebko, Christian Thielemann, Yusif Eyvazov und Hausherr Dominique Meyer bei Martin Traxl.

"Jedes Theater ist ein Irrenhaus, aber die Oper ist die Abteilung für Unheilbare", so treffend formulierte es einst der erste Direktor des Hauses Franz von Dingelstedt. Seit 150 Jahren ist die Stadt Wien vom Musikfieber befallen, gilt doch in Österreich die Musik grundsätzlich als allererste Kunst.

Ob Maria Callas, Agnes Baltsa oder Anna Netrebko, ob Nicolai Ghiaurov, Jose Carreras oder Placido Domingo, sie alle feierten hier umjubelte Premieren. Komponisten-Legenden wie Gustav Mahler oder Richard Strauss leiteten als Direktoren die Geschicke des Hauses. Richard Wagner war an der Hofoper mit seinem "Lohengrin" und "Tannhäuser" zu Gast, während Giuseppe Verdi hier in Ohnmacht fiel und dadurch Publikum wie Presse in Aufregung versetzte. Anfang des 20. Jahrhunderts debütierte gar Goldkehlchen Enrico Caruso als "Rigoletto" und wurde dem Wiener Publikum als "der berühmteste und bestbezahlteste italienische Tenor der Gegenwart" vorgestellt, was eine satte Erhöhung der Kartenpreise zur Folge hatte.

Trotzdem kauften die Wiener ganz gierig die Karten. Für Innovation sorgte Pultstar Herbert von Karajan ab den späten 1950er-Jahren. Unter seiner künstlerischen Ägide begann sich das internationale Star-Karussell zu drehen. Der Jetset war somit im hehren Musentempel angekommen. Star-Sopranistin Edita Gruberova oder "C-Tenor" Johan Botha wurden hier entdeckt. Kurz das "Who is Who" der Opernwelt war und ist hier gern zu Gast. Nicht umsonst gilt die Wiener Staatsoper heute weltweit als einer der bedeutendsten Kulturbetriebe.

Dabei hat die Erfolgsgeschichte mit allerlei Zweifel und einem handfesten Skandal begonnen. Für sein Herzensprojekt bezahlte der Bauherr, Kaiser Franz Joseph astronomische sechs Millionen Gulden aus seiner Privatschatulle. Die Architekten August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll wurden allerdings schon in der Bauphase der Hofoper von der Presse und den ebenso ungnädigen Wienern kritisiert. Ein heute legendärer Spottvers machte die Runde: "Der Sicardsburg und van der Nüll, die haben beide keinen Styl! Griechisch, gotisch, Renaissance, Das ist denen alles ans!"

Durch die nachträgliche Anhebung des Ringstraßenniveaus schien die Oper einen Meter zu tief im Boden zu stecken, was ihr den Spitznamen "versunkene Kiste" eingebracht hat. Die beiden Architekten sollten die Eröffnung "ihres" Opernhauses am 25. Mai 1869 mit Mozarts "Don Giovanni" in der Anwesenheit des Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth nicht mehr erleben. Der sensible van der Nüll beging Selbstmord, Sicardsburg erlag einem Schlaganfall. Doch deren tragisches Schicksal konnte den Höhenflug des ersten Hauses am Ring nicht aufhalten.

Rund 600 000 Opernfans pilgern jährlich an ihren Sehnsuchtsort. Hoch im Kurs stehen für Schwärmer Giuseppe Verdi, dessen Kompositionen, wie "La Traviata" seit 1955 2913 Mal aufgeführt wurden. Dicht gefolgt von Wolferl Amadeus Mozart, dessen "Zauberflöte" oder "Don Giovanni" 2674 Mal inszeniert wurden.

Auf der Opernbühne wird geliebt, gemordet und gesungen, mit allem, was Lungen, Herz und Seele hergeben: Eine Kunstform, die Künstlerinnen und Künstlern vollen Körpereinsatz und oftmals jede Faser ihres Seins abverlangt; eine Leidenschaft, die sich von der Musik auf Ausführende und Publikum überträgt. Die Opern-Liebe - sei es auf der Bühne, hinter den Kulissen oder im Zuschauerraum - ist in all ihren Spielarten ein hochansteckendes Virus, das Befallene zu Höchstleistungen und absoluter Hingabe motiviert. Was aber ist es, das ganz normale Zeitgenossen so in seinen Bann zieht, dass ein Leben ohne Oper zwar möglich, aber nicht erstrebenswert ist? Stehplatzler, Statisten und Sammler zählen wohl zu einer außergewöhnlichen Species, die dieser Leidenschaft oft seit Jahrzehnten mit Hingabe und in unterschiedlichen Spielarten frönen.

Mit jeder Menge Glanz und Glamour will die Wiener Staatsoper nun ihr 150-Jahr-Jubiläum feiern. Für den Auftakt am 20. Mai hat sich Direktor Dominique Meyer Formidables ausgedacht: Primadonna Assoluta Anna Netrebko singt gemeinsam mit ihrem Mann Yusif Eyvazov in Umberto Giordanos erfolgreicher Revolutionsoper "Andrea Chenier". Das Traumpaar der Opernwelt wird gleich im Anschluss an die Vorstellung von Martin Traxl live vor Publikum aus dem Schwind-Foyer begrüßt. Der prachtvolle Pausenraum, den der österreichische Maler Moritz von Schwind in spätromantischem Stil mit Szenen aus Mozarts "Zauberflöte" gestaltet hat, wurde erst vor kurzem aufwendig renoviert. Auch heute noch dient er als Ruhmeshalle des Wiener Operntheaters.

Einer dieser Helden ist zweifelsohne Richard Strauss. Er brachte vor genau 100 Jahren hier seine "Frau ohne Schatten" zur Uraufführung. Zur Festwoche dirigiert der unumstrittene Klangästhet Christian Thielemann die Neuinszenierung, mit Nina Stemme und Camilla Nylund in luxuriöser Besetzung. Für Thielemann, den "Zauberer am Pult", der für diese Produktion mit der Originalpartitur arbeitet bedeutet die Oper am Uraufführungsort zu dirigieren eine wunderschöne Verantwortung. Denn das Stück sei doch dem Haus und vor allem dem Orchester auf den Leib geschrieben.

Die Partie der "Färberin" aus der "Frau ohne Schatten" war für Kammersängerin Christa Ludwig nur eine der 42 Rollen als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Karl Böhm holte sie 1955 an das Haus. Wie kaum eine andere Sängerin zählt sie zu den Ikonen der Wiener und internationalen Opernwelt. Von Octavian bis zur Marschallin, von Cherubino bis zur Dorabella, jeder Opernfreund verbindet ganz große Abende mit "der Ludwig". Für etliche Rollen war und ist sie Maßstab. Mit ihren 91 Jahren zählt Christa Ludwig zu den "Urgesteinen" des Hauses und weiß wohl wie keine andere jede Menge Geschichten und G`schichterln zu erzählen.

"Eine Oper ist keine Oper, wenn sie uns nicht süchtig danach macht, sie omnipräsent in unserem Leben zu haben", sagte einst der Opernführer der Nation Marcel Prawy.

Zum Ausklang der Sendung aus der Wiener Staatsoper ertönt dann die "Champagner-Arie" aus "Don Giovanni". Der junge, deutsche Bariton Samuel Hasselhorn, der seit der Spielzeit 2018/19 festes Ensemble-Mitglied ist interpretiert jene Oper, mit der das Haus vor 150 Jahren eröffnet wurde.

Quelle: Presseportal

Die Sendung wird ausgestrahlt am Sonntag, den 26.05.2019 um 00:28 Uhr auf 3sat.