Der Rideau-Kanal in Kanada

Nicht nur weil das wilde, versumpfte Gelände zwischen dem heutigen Ottawa und Kingston am Ontario-See entlang Hunderter von Seen am Rideau lebensgefährlich malariaverseucht war, sondern auch Kriegsgebiet zwischen Kanada und den jungen Vereinigten Staaten von Amerika war.
Wo einst die eingeborenen Indianerstämme, vor allem die Algonquin, Jagd nach Tierfellen machten, plante die britische Kolonialmacht Anfang des 19. Jahrhunderts einen Kanal zu bauen, um ihren militärischen Nachschub zwischen Atlantik und den Großen Seen Nordamerikas zu sichern - der "Rideau-Kanal" entstand. 1832 wurde er eingeweiht. Wie kühn, ambitioniert und raffiniert Konstrukteure und Erbauer gewesen sein müssen, um sich durch Berge und Sümpfe in Handarbeit zu graben, lässt sich nur noch ahnen. Mehr als tausend Tote waren zu beklagen, die meisten starben am gefürchteten Malariafieber. Bis heute ist der "Rideau-Kanal" von urwüchsiger, natürlicher Schönheit geblieben, obwohl er ein von Menschen geschaffener Wasserweg ist. Die Landschaft gilt als die abwechslungsreichste Kanadas, und die Tierwelt entfaltet sich artenreich und unerschrocken von der moderaten Zivilisation entlang des Gewässers. Über 200 Kilometer liegen zwischen der heutigen Hauptstadt Ottawa und der früheren Hauptstadt Kingston am Ontario-See. 43 Schleusen verbinden den zuvor unschiffbaren Rideau-Fluss mit der unendlichen Seenlandschaft. So wurde der Rideau-Kanal nicht nur die bedeutendste und längste künstliche Wasserstraße Nordamerikas, sondern auch eine technische Meisterleistung des frühen 19. Jahrhunderts. Ununterbrochen in Betrieb seit seiner Eröffnung, ist er außerdem der einzige Kanal des Kontinents, der noch genauso funktioniert, wie ihn einst seine kolonialen britischen Erbauer errichten ließen. Die Kanadier lieben ihn, die Touristen aus aller Welt bewundern ihn. Hier herrschen eigene Gesetze. Es ist das stille Wasser, verbunden mit den handbetriebenen Schleusentoren, die den Takt der Zeit angeben. Nur an seiner Anfangs- und Endpforte erhebt sich die Kanalarchitektur als imposantes Bauwerk vorindustrieller Geschichte. Burgartige Befestigungs- und Wehranlagen. Fort Henry in Kingston, zwischen Ontario-See und St.-Laurence-Strom gelegen, markiert noch heute kanadische Hoheit im alten Konflikt mit den USA. Der Rideau-Kanal jedoch hat nie seinem militärischen Zweck gedient, denn es herrschte bald Frieden zwischen den kanadischen und amerikanischen Völkern. So hat ihn schlichtweg die Bevölkerung erobert. Heute zählt die Region in der Provinz Ontario zu den begehrtesten Erholungs- und Freizeitgebieten Nordamerikas. Eine Symbiose, eine romantische Liaison zwischen Natur und Technik. Diese friedliche Umwidmung eines großen militärischen Bauwerkes durch die Bevölkerung ist ohne Beispiel. Wie auch der Rideau-Kanal zu den wenigen Orten auf der Erde gehört, an dem gleichermaßen Natur und menschliche Kulturleistung unter den Schutz der UNESCO gestellt wurden.
Film von Horst Brandenburg; Erstsendung 05.07.2011
Dokumentation
Erstsendung 05.07.2011

Die Sendung wird ausgestrahlt am Freitag, den 03.03.2017 um 16:15 Uhr auf 3sat.