Menschen hautnah: Chef mit Herz

Ein Film von Liz Wieskerstrauch

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

"Wie viel wollen Sie denn verdienen?" fragt Klaus Kobjoll, wenn sich jemand um einen Job in seinem Tagungshotel bewirbt. Jedes Mal schaut er in erstaunte Gesichter. Sein Gehalt selbst bestimmen, das kennt man nicht. Die meisten haben anfangs Schwierigkeiten, die eigene Leistung einzuordnen und nennen ein zu geringes Gehalt. Dann legt Kobjoll noch was drauf. "Ich will selbstbewusste Mitarbeiter, die wissen, was sie wert sind." Dafür arbeiten seine Angestellten auch gern und viel, sind voller Begeisterung dabei und werden weit seltener krank als üblich. Genau das will Klaus Kobjoll zusammen mit seiner Frau Renate und Tochter Nicole erreichen, denn das Engagement und die Freundlichkeit der Mitarbeiter überträgt sich auf die Gäste des Hotels Schindlerhof bei Nürnberg, so dass sie immer wieder gern kommen. Der Schindlerhof hat sogar eine eigene Herzlichkeitsbeauftragte, die sich um das Wohlbefinden der Gäste, aber vor allem um das der MitarbeiterInnen kümmert. Ein guter Trick des Familienunternehmens, um die Angestellten geschickt auszubeuten?
Während die meisten Chefs davon ausgehen, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes und das Wohl der Mitarbeiter widersprechen, zeigen einzelne Unternehmer, wie man Menschen trotz heftiger Stressphasen für ihren Job begeistern und damit hohe Fehlzeiten aufgrund von Krankheiten wie beispielsweise Burnout vermeiden kann. Mit diesem Erfolgskonzept schaffen sie eine hohe Identifikation mit dem Betrieb und steigern obendrein Leistung und Produktion. Wer eine so enge Bindung nicht mag, hat in einem solchen Betrieb allerdings schlechte Karten.
1999 stand die noch junge "Deutsche Kammerphilharmonie Bremen" kurz vor der Pleite. Da hat einer der Musiker seinen Kontrabass zur Seite gelegt und sich fortan nur noch um die Wirtschaftlichkeit gekümmert. "Das war ein Verzweiflungsakt", sagt Albert Schmitt, der nun Geschäftsführer ist. Er hat sich Rat geholt bei Marketingexperten, Personalführern, Wirtschafts-Strategen und hat die Musiker auf das Unternehmertum eingeschworen. Innerhalb von zwei Jahren waren alle Schulden getilgt, und nun zählt das Orchester weltweit zu den Top Ten und wird mit Preisen überschüttet. Denn mit einer flachen Hierarchie und extrem hoher Mitverantwortung jedes einzelnen Musikers entsteht Höchstleistung. "Risiko ist immer dabei", sagt Ulrich König, Oboist.
"Wir sind weit weg von jeder Routine. Das ist in unseren Orchestergenen nicht enthalten. Deshalb wollten wir auch nicht in ein Staatsorchester gehen, wo alles vorgegeben ist. Wir gestalten selbst." Dafür verdienen sie auch weit weniger. Doch alle 40 Musiker sind Gesellschafter und haben das Sagen. Sie entscheiden im Kollektiv, mit welchen Solisten sie in welchen Konzertsälen der Welt auftreten und von wem sie sich dirigieren lassen. Manchmal zeigen sie, dass sie auch in Eigenregie, also ohne Dirigenten, Höchstleistung erbringen. So ist die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen nicht, wie üblich, von hohen Subventionen abhängig, sondern sie spielt das Geld in Konzerten selbst ein.
"Menschen hautnah"-Autorin Liz Wieskerstrauch beobachtet das Zusammenspiel der Musiker nicht nur bei einem Konzert, sondern auch bei den Proben und auf Tour. Sie begleitet das Familienunternehmen Schindlerhof während einer schwierigen Zeit: Die Herzlichkeitsbeauftragte will studieren und verlässt das Tagungshotel, in kurzer Zeit sterben zwei Mitarbeiter, Umstrukturierungen werden notwendig und die rund 70 Mitarbeiter mitsamt der Teamleader müssen sich neu finden.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 02.02.2017 um 23:25 Uhr auf WDR.