Der Geschmack Europas

Die toskanische Maremma

Die Etrusker hatten die einst sumpfige Gegend urbar gemacht. Heute treiben die Butteri, wie die Cowboys gerufen werden, die Maremanna-Rinder über die Weiden - wie vor 100 Jahren, nur heute, um die Rinderrasse vor dem Aussterben zu retten.
Das Maremmanna-Rind ist nahe am Ur-Tier, dem Auerochsen und seit dem Mittelalter immer in diesem Sumpfgebiet heimisch. Es hat kaum Ähnlichkeiten mit anderen Rassen, am ehesten noch mit dem istrischen Boškarin-Rindern mit ihren breiten Hörnern. Sie sind hier völlig isoliert, fressen, was sie finden, auch die salzhaltigen Pflanzen im Sumpf und haben am ehesten eine indianische Anbindung, die mit den "Barbaren" eingeführt wurde. Die Pferderasse Maremanno ist eine Kreuzung mit Vollblütern und Arabern.
Doch nicht nur Rinder prägen das Bild der Maremma, die Lage entlang der italienischen Westküste bietet auch hervorragende Fischgründe. Der Fischer und Umweltaktivist Paolo Fanciulli gebietet der Raubfischerei auf originelle Weise Einhalt - mit Unterwasser-Skulpturen aus Carrara-Marmor und begründet damit das erste Museum unter Wasser.
Einen ganzen Skulpturen-Park hat sich der der Erfinder der Eat-Art, der Künstler Daniel Spoerri, am Rand der Maremma, mitten in den Maronihainen eingerichtet.
Aquacotta, Wildschwein, Schafskäse und Wein gehören auf die traditionelle maremmanische Speisetafel, in einer Gegend, in der man vor nicht allzulanger Zeit noch so arm war, dass viele heute nicht einmal eine Lieblinsspeise der Kindheit benennen können - Hauptsache, es war überhaupt etwas auf den Tisch gekommen.
Die 1492 aus Spanien vertriebenen Juden haben eine Süßspeise, "Sfrato" genannt, mitgebracht. In der auf Tuffstein gebauten, auf etruskische Wurzeln zurückblickenden Stadt Pitigliano pflegen sie noch heute ihre Kultur und Religion.
Und noch eine Spezialität hat die Region hervorgebracht: Alle kennen es, jeder weiß, wie es schmeckt, doch keiner kocht es: das heute geschützten Stachelschwein. Es ist in allen Gesprächen präsent, wie ein Mythos und man weiß zu berichten, dass es früher auch verkocht wurde, auch wenn das für den Koch aufgrund des strengen Geruches ein Plage war. Doch was macht man nicht alles zur Steigerung des Genusses?
Die Vielseitigkeit Europas ist nicht einfach zu ergründen, denn auf kleinstem Raum sind die verschiedensten Kulturen, Menschen und Sprachen zu finden. Auf jeden Fall muss man sich auf eine Reise begeben - lesend und wandernd, am besten auch essend und trinkend. Dem "Geschmack Europas" geht Lojze Wieser, Verleger und leidenschaftlicher Kulinariker, in der gleichnamigen Reihe nach. Er besucht die Küchen europäischer Länder, trifft auf außergewöhnliche Menschen und entdeckt so manches über die Geschichte und Kultur Europas. Er zehrt aus eigenen Reiseerfahrungen, erforscht kulturgeschichtliche Hintergründe, würzt mit Anekdoten und dem Wissen eines weitgereisten Feinschmeckers und Hobbykochs.

Moderation: Lojze Wieser\n

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 31.01.2017 um 11:40 Uhr auf 3sat.