Bahnhofskathedralen - Europas Reise-Paläste

Antwerpen

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Antwerpen Centraal ist mehr als ein Bahnhof. Der Bau erinnert vielmehr an einen Palast. Er gilt als steinerne Manifestation der aufstrebenden Kolonialmacht. Antwerpen war während der früheren Stadtgeschichte eine der größten Handelsstädte der Welt, seit jeher wichtig für die Nord-Süd-Verkehrsachse nach Amsterdam oder Rotterdam.


Er ist das Juwel in der Stadt der Diamanten: Antwerpen Centraal. Seine gigantische Kuppel erinnert an das Pantheon in Rom. Deswegen wird er im Volksmund auch "Eisenbahnkathedrale" genannt. Nicht von ungefähr galt das palastähnliche Bauwerk als steinerne Manifestation der damals aufstrebenden Kolonialmacht. Selbst König Leopold II. ließ sich bei seinem Anblick 1905 zu einem Ausruf des Erstaunens hinreißen: "C'est une petite belle gare!" ("Das ist ein hübscher kleiner Bahnhof!").

Mauer an Mauer mit dem Bahnhof liegt Antwerpens grünes, klopfendes Herz: der Zoologische Garten. Im Jahr 1843 gegründet, zählt er zu den ältesten der Welt. Hier zeugen noch Okapis vom königlichen Anspruch der damaligen Welt. Denn in seinen Gehegen konnte man europaweit erstmals diese Giraffenart aus dem Kongo bewundern, eingeführt über den Antwerpener Hafen - das ältere Gegenstück zum Bahnhof. Hier ankerten die Dampfschiffe großer Reedereien wie Hapag Lloyd und Red Star Line. Insbesondere mit der Red Star Line schipperten um die Jahrhundertwende rund 2 Millionen Europäer nach Amerika.

Regisseur Jeremy J.P. Fekete veranschaulicht in seiner Dokumentation die untrennbare Verbindung zwischen Bahnhof und dem Antwerpener Bürger. Vom zaghaften Kuss ihrer ersten Liebe auf den Bahnhofsbänken bis zum Verlust liebgewonnener Kuscheltiere im Gewusel drängelnder Reisender. Hinter dem Bahnhof entstand das "Jerusalem des Nordens", wie man das Diamantenviertel auch nennt. Hier ist man aus Tradition steinreich. Und deshalb ist Antwerpen auch die "Stadt der funkelnden Steine" und größter Handelsplatz. Sie wirken wie Kulissen aus einer verlorenen Zeit. Ihre pompösen Empfangshallen strotzen vor königlichem Stuckwerk. Vorne Schloss, in der Mitte Kathedrale, hinten Tor zur weiten Welt - die Bahnhöfe des 19. Jahrhunderts. Erschaffen in einer Epoche des Dampfes, der Mechanik und des Zukunfts- und Erfindergeistes - gepaart mit dem viktorianischen Lebensgefühl -, die eine ganze Welt beherrschte. Der Prunk war gewollt, die Bahn galt vor eineinhalb Jahrhunderten als das Fortbewegungsmittel der Reichen.

Dokumentationsreihe Frankreich 2018

Die Sendung wird ausgestrahlt am Mittwoch, den 28.11.2018 um 18:35 Uhr auf arte.