Das Lied des Lebens

2013
Rezension zu Das Lied des Lebens
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Natürlich ist es es ein Zufall, dass nach »Sound of Heimat« nur wenige Wochen später mit »Das Lied des Lebens« ein zweiter deutscher Kino-Dokumentarfilm den Menschen, die Musik und die Qualität des Lebens in eine filmische Harmonie stellt. Doch solche Zufälle haben wir gern, wenn sie, wie in diesem Fall, ein solch bewegendes Ergebnis hervorbringen. Irene Langemanns Musik- und Senioren-Doku ist eben viel mehr als eine Doku über Musik und Senioren. Eine echte Entdeckung zum Beispiel.

Der Film verfolgt die Arbeit des Musikers Bernhard König - doch zunächst hat man den Eindruck, dass er gar nicht mit Musik und Instrumenten arbeiten möchte. Gleich am Anfang sehen wir, wie er einer Gruppe von Altenheimbewohnern einen Koffer voll Laub auf den Tisch kippt. Das seien die Instrumente, die er ihnen mitgebacht habe. Einer alten Dame fällt gleich die Kinnlade herunter, die anderen sind wenigstens motiviert. Wahrscheinlich hat man ihnen erzählt, sie dürften hier bekannte Volkslieder singen. Innerhalb weniger Minuten aber gewinnt König die alten Menschen für ein viel spannenderes Erlebnis: er will Musik machen, die aus ihnen und ihrem Leben stammt.

Alte Menschen versorgen, das ist in Deutschland heute gut organisiert. Sich mit ihnen zu beschäftigen, sie als gleichwertige Partner in einem Treffen der Generationen zu akzeptieren, das gelingt nicht allenorts und jedermann. Doch genau darum geht es Bernhard König. Er will mit den alten Menschen eine Musikinszenierung erarbeiten, die sich aus kollektiven Sammelfunden zusammensetzt. Die Leben der Alten dienen als Fundgrube für Szenen, Melodien, Instrumente und Kompositionen. Auch in Köln, wohin das Filmteam König folgt, findet er im Zusammenspiel mit Senioren des Experimentalchors »Alte Stimmen« neue Inspiration.

König selbst wird in dieser einfühlsamen Arbeit - es gibt Szenen, da kann man vor seiner Zurückhaltung nur den Hut ziehen - zum Medium. Um im Thema zu bleiben: zu einem Instrument, das an der Liedern dieser Lebensgeschichten mitwirkt. Mit Musik in herkömmlicher Weise hat das zunächst wenig zu tun, doch am Ende eine ganz Menge. Die Musik - diese berührendste aller Künste - dient hier als idealer Schlüssel zur Menschlichkeit.

Die Kamera folgt unter der Regie von Irene Langemann betont unaufgeregt, aber durchaus nah und eng diesem sozialen und künstlerischen Experiment. Es hat größtenteils in einem hochwertigen Generationenhaus im Stuttgarter Stadtteil Sonnenberg stattgefunden. Dort wird seit Jahren schon Seniorenarbeit als Gesellschaftsdienst betrachtet. Regelmäßig sind Schülerinnen und Schüler über mehrere Wochen hinweg bei den Bewohnern des Hauses. In einem Teil wird ein Kindergarten betrieben. Das Haus selbst steht offen - für Besucher, aber auch für Experimente.

Ein solches Haus ist ideal für einen Versuch, wie ihn Bernhard König gewagt hat und wofür er viele Kolleginnen und Kollegen gewinnen konten, die ihn in Köln und Stuttgart unterstützt haben. Aber er könnte in ähnlicher Form, sicher auch weniger perfekt, überall wiederholt werden. Das wäre ein Gewinn - für die Menschen in den Heimen, für die Musiker, natürlich für die Zuhörer.

Dieser Dokumentarfilm über das Singen macht Mut. Auf die Umkehr der Alterspyramide und unsere Zukunft in einer gentrifizierten Gesellschaft ist er eine kluge, eine warmherzige Antwort.

Mittlerweile ist der Film in der Nominierung für den Deutschen Filmpreis und auf der idfa in Amsterdam wurde der Weltvertrieb abgeschlossen. Dieses Lied, so scheint uns, hat noch viele Strophen...

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Kinostart:17.01.2013 in Deutschland
17.01.2013 in Deutschland
weitere Titel:
Das Lied des Lebens
The Song of Life
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch
IMDB: 7
Offizielle Webseite:daslieddeslebens.lichtfilm.de
Regie:Irene Langemann
Drehbuch:Irene Langemann
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Rezensionen:

Datenstand: 04.05.2022 00:29:50Uhr