Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

2012
Rezension zu Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Seinen ersten langen Dokumentarfilm nach »Der große Ausverkauf«, der 2007 entstand und unter anderem den Grimme-Preis gewann, hat Regisseur Florian Opitz einem ganz persönlichen Thema gewidmet: In »Speed« will er ergründen, wie das so ist, mit der Zeit, die nie reicht und doch auch nie ausgeht. Ein unterhaltsames Essay ist dabei entstanden, das auch noch Tage nach dem Kinobesuch reift. Wie ein guter Wein, dem man Zeit gelassen hat. Was will ein Film mehr?

Im kommenden Jahr wird Florian Opitz 40 Jahre alt - das ist gemeinhin ein Alter, bei dem Mann wie Frau darüber nachzudenken beginnen, wohin sie das Leben bisher gebracht hat und wohin die Reise gehen soll. Auch die Geburt eines Kindes kann, wie jeder Vater und jede Mutter weiß, nicht nur existentielle Gedanken über die Sanduhr der eigenen Lebenszeit auslösen, sondern auch ein neues, ganz besonders Zeitmanagement erfordern.

Auch Opitz ist Ehemann und Vater geworden, seit er mit »Der grosse Ausverkauf« einen erfolgreichen Dokumentarfilm im Kino und ins Fernsehen brachte. Danach filmte er noch eine  Episode des Doku-Ereignisses »Berlin 24h«. Mehr nicht? Wer dies fragt, ist genau richtig für eine Konfrontation mit »Der Suche nach der verlorenen Zeit«. Den Untertitel hat sich Opitz bei Marcel Proust geliehen. Es ist nicht die einzige Parallele: Der französische Autor wählte für seinen Jahrhundertroman auch die Ich-Erzählform.

Vielleicht muss man diese Gedanken im Kopf haben, um die ganz persönliche Note in Florian Opitz' neuem Dokumentarfilm »Speed« zu erkennen. Opitz hat sich die Freiheit genommen, einen Film über eine Thema zu drehen, bei dem jeder mitreden kann und will, bei dem aber nahezu jeder an seinen eigenen Sehnsüchten und Limits scheitert.

Man darf sich das wohl fragen: Wie persönlich darf ein Dokumentarfilm werden, der immerhin mit öffentlichen Fördergeldern finanziert wurde und an der Kinokasse Geld verdienen soll? Das Ergebnis kann einem gefallen oder auch nicht. Man kann von der permanenten Ich-Erzählform zurückschrecken und sich mehr Distanz wünschen, Doch verglichen an den persönlichen Noten von Filmemachern wie Herbert Achternbusch, Werner Herzog oder auch Peter Nestler, ist »Speed« ein geradezu eingängliches Essay-Stück.

Und eines dazu, das mit reichlich Humor und Selbstironie gespickt ist. Kurzweilig ist das allemal, tiefgängig nicht immer. Da, wo Marcel Proust die Zeit als Erinnerung definierte, blickt Opitz nach vorne: Er zeigt gelungene Versuche, dem Zeitdruck zu entfliehen. Nachleben kann das niemand, schon gar nicht nach einem Kinobesuch. Aber vielleicht will Florian Opitz das gar nicht. Das Leben ist eh viel zu kurz, um fremde Antworten auf eigene Fragen zu nehmen

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Kinostart:27.09.2012 in Deutschland
18.01.2012 beim Filmfestival Max Ophüls Preis
weitere Titel:
Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Speed: In Search of Lost Time
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch, Englisch
IMDB: 241
Offizielle Webseite:www.speed-derfilm.de
Regie:Florian Opitz
Drehbuch:Florian Opitz
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