Berlin Excelsior

2017

Ein Dokumentarfilm über den Berliner Stahlbetonbau Excelsior und seine skurrilen Bewohner.

Rezension zu Berlin Excelsior
Thomas Schneider
Dr. Kay Hoffmann
Filmpublizist und wissenschaftlicher Leiter im Haus des Dokumentarfilms

Kino-Tipp: »Berlin Excelsior«

Ein Hochhaus als Spiegel der Gesellschaft. Nicht ohne Grund mit dem vielversprechenden Namen »Excelsior« nach dem ehemaligen Hotel benannt, das hier stand, hat das Gebäude schon einige Auf und Abs erlebt. Ebenso wie seine Bewohner. Geplant war es in den 1960er Jahren als exklusives Wohn- und Geschäftsgebäude mit rund 500 Einzimmerapartments im New Yorker Stil. Doch diese Träume sind geplatzt, das Haus war heruntergekommen und hat sich inzwischen wieder etwas erholt. Ganz oben befindet sich die luxuriöse Skybar Solar, mit Blick auf den Potsdamer Platz. In ihrem Dokumentarfilm »Berlin Excelsior« porträtieren Erik Lemke, der schon länger selbst in dem Haus wohnt, und sein Kameramann André Krummel die Bewohner des Hauses.

Allesamt einzigartige Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die versuchen durch Selbstoptimierung neue Perspektiven zu finden. So wie Claudia, die in der Bar arbeitet und von einer Karriere als Model träumt – auch wenn es dafür schon ein wenig zu spät sein könnte. Gerne lässt sie sich fotografieren, um neue und aktuelle Fotos für die Selbstvermarktung zu bekommen. Oder Norman, der mit seinem Startup als Lebenscoach so richtig durchstarten will, ohne sich selbst schon gefunden zu haben. Er häuft immer größere Schulden bei Freunden und seiner Familie an. Oder Michael, der sich früher als Escortboy verdingt hat, sich fast 20 Jahre jünger macht und nur noch für den Moment lebt. Zumindest bis nächstes Jahr, wenn er 50 wird und dann erst mal entscheiden will, wie und ob es weitergeht. Solange gibt es Lebenstipps im Internet und hoff auf den Durchbruch.

Sie alle haben ihre Träume. Träume, etwas Besseres zu werden als das, was sie jetzt sind. Die Schnelllebigkeit und Anonymität unserer Gesellschaft, das Geltungsbedürfnis und das neoliberale Streben nach etwas Besserem, die ständige Selbstinszenierung in einer Welt der sozialen Netzwerke: Lemke und Krummel bringen all diese Themen und Aspekte auf den Punkt, indem sie die Bewohner des Hochhauses als Mikrokosmos eben jener Gesellschaft zeigen. Sie selbst kommentieren nicht und halten sich zurück; doch mit der Kamera sind sie nah an den Menschen. Die entlarvenden Gespräche und Begegnungen der Bewohner sagen so viel mehr von ihrem inneren Antrieb, als es in jedem Interview möglich wäre.

Das Haus selbst wird von André Krummel in faszinierenden formal strengen und doch poetischen Bildern eingefangen. Die mächtige Höhe des Baus, die leerstehenden Geschäfte, der auf Hochglanz polierte Aufzug an der bröckelnden Fassade oder die Choreographie des Öffnens der Fenster – das Excelsior-Haus ist mehr als nur Handlungsort, es wird zum Protagonist des Films. Ein stimmungsvoller Soundtrack mit leichter Barmusik und eine ausgezeichnete Montage schaffen zusätzliche Atmosphäre. Ein Film mit leisem Humor, genauem Blick und offenem Ohr. Erik Lemke und André Krummel gelingt mit »Berlin Excelsior« eine authentische Milieu- und Gesellschaftsstudie, die von dem bekannten Produzenten Peter Rommel ermöglicht wurde.

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Kinostart:26.10.2017 in Internationale Hofer Filmtage
29.11.2018 in Deutschland
27.10.2017 in Internationale Hofer Filmtage
2016
weitere Titel:
Berlin Excelsior
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch
Farbe:Farbe
IMDB: 16
Regie:Erik Lemke
Kamera:André Krummel
Produzent:Peter Rommel
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Rezensionen:

Datenstand: 07.05.2022 07:05:13Uhr