Workingman’s Death

2005

Workingman’s Death ist ein Dokumentarfilm von Michael Glawogger aus dem Jahr 2005. Er zeigt fünf Beispiele körperlicher Schwerstarbeit unter extremen Bedingungen an verschiedenen Orten der Erde.

Quelle: Wikipedia(deutsch)
Rezension zu Workingman’s Death
Thomas Schneider
Dr. Kay Hoffmann
Filmpublizist und wissenschaftlicher Leiter im Haus des Dokumentarfilms

Er wurde nur 54 Jahre alt. Viel zu früh ist Michael Glawogger im Jahr 2014 gestorben. Und das ist keine Floskel. Er war ein sympathischer, ein eher zurückhaltender Mensch – und ein Filmemacher, der uns fehlt. Seine Dokumentar- und Spielfilme beeindrucken durch starke Bilder, emotionale Wirkung und ihre Gestaltung für die große Leinwand. Sie überzeugen durch Originalität und ihre visuelle Kraft. Er selbst sagte einmal: »Ich versuche, wo ich nur kann, alles mit Bildern, Schnitten und  Rhythmen zu erzählen. Sprache ist für mich eigentlich fast wie das letzte Mittel, wenn’s nicht mehr anders geht.« 

Man kann »Workingman’s Death« nicht ohne die zwei Filme »Megacities« und »Whore’s Glory« sehen. Ermöglicht wurde Glawoggers Trilogie, die sich mit Arbeit und sozialen Aspekten der Globalisierung beschäftigt, durch gut ausgestattete Budgets von jeweils deutlich über einer Million Euro. Häufig entstanden sie als Koproduktionen mit Deutschland (Quinte Film) und der Schweiz. Dies ermöglichte intensive Recherchen, die sich schon bei »Workingman’s Death« über mehrere Jahre hinzogen. Auch die Dreharbeiten waren aufwändig. Themen und Drehbedingungen von dutzenden Locations wurden recherchiert, bevor schließlich jene sechs ausgewählt waren, die in dem Film zu sehen sind. Die Filmstruktur besteht aus fünf Geschichten: »Helden«, »Geister«, »Löwen«, »Brüder«, »Zukunft« und einem Epilog, der in Deutschland spielt. Diese Kapitel sind nicht nur in unterschiedlichen Gegenden der Welt gedreht, sondern unterscheiden sich jeweils hinsichtlich Gestaltung und Farbgebung. Sie stehen als Sinnbild für Schwerstarbeit im 21. Jahrhundert. 

Von Anfang an hatte Glawogger eine klare Farbdramaturgie geplant: die schwarzweiße Ukraine, die nur in ein paar Sequenzen etwas Farbe hat, das gelbgrüne Indonesien mit den Schwefeldämpfen, das rotschwarze Nigeria mit dem Schlachten unter freiem Himmel, das braunblaue Pakistan mit der Schiffsabwrackung, das orangefarbene China mit den überalterten Hochöfen und im Epilog das knallbunte Duisburg. Im Mittelpunkt des Films stehen die Menschen, die unter extrem harten und zum Teil ebensgefährlichen Bedingungen arbeiten.

Neben der genauen Recherche und Auswahl der Motive und Protagonisten gab es notwendiger Weise immer wieder Absprachen für die Interviews.Glawogger nannte es »Verdichtung«. Mit den Schwefelträgern wurde abgesprochen, wo sie rasten und über was sie sich unterhalten. Das Quietschen der Körbe wurde akustisch verstärkt, damit es im Kinosaal wirkt. Die posierenden Arbeiter in der Plansequenz sind inszeniert. »Ich würde nie etwas nachinszenieren oder etwas verstärken, herausheben oder klarer
machen, was nicht sowieso in der Wirklichkeit vorhanden ist«, verteidigte sich Glawogger später. Dem Film wurde vorgeworfen, dass er die Arbeitswirklichkeit ästhetisch überhöht zeige: Zu schöne Bilder über das Elend der Welt. Dieser Vorwurf ist nicht haltbar, wenn man sich intensiver mit dem Film beschäftigt und seine Dramaturgie und die essayistischen Verknüpfungen  analysiert. Vor allem benötigt ein Kinofilm eine gewisse Größe der Bilder, um eine Chance im Kino zu haben.

Glawogger arbeitete mit dem Kameramann Wolfgang Thaler. Ihre erste gemeinsame Arbeit war 1997 der Kinodokumentarfilm »Megacities« über das Überleben der Armen in vier Metropolen der Welt, bei dem sie ebenfalls zu einigen Inszenierungskniffen griffen. Das Konzept dieses Films diente als Vorbild für die Trilogie. Der Alltag in den Metropolen Mumbai, Mexiko City, Moskau und New York wird in zwölf Geschichten erzählt, die ebenfalls eine ganz spezifische Farbgestaltung haben. Überwältigend ist
das Bild des Farbenmachers in Mumbai, der die Rostoffe aussiebt. An einem Tag ist er rot, am nächsten gelb. Er kann sich von seiner Arbeit nur knapp ernähren und ist todunglücklich. 

Zentrale Motive im Film sind die Züge, U-Bahnen und das Leben entlang der Gleise, die Musik, das Schlachten, Kriminalität und Prostitution. Die Kamera begleitet die Protagonisten in der Bewegung oder zeigt sie in Plansequenzen, die lange stehen bleiben und Entdeckungen im Bild ermöglichen. Im Abspann werden die Protagonisten namentlich genannt. »Whore’s Glory« schließt diese ganz besondere Trilogie ab. Junge, schöne Frauen, die sich im »Fish Tank« in Bangkok hinter einer Scheibe zur Schau stellen, um ihren Freiern ein wenig Glück zu verkaufen. Frauen in Bangladesch, die in ein Prostituierten-Ghetto hineingeboren oder dorthin verkauft worden sind. Sie werden nie eine Chance auf ein anderes Leben haben. Frauen in Mexiko, deren Endstation »La Zona de la toleranzia« darstellt, ein Ort, an dem sie mit Drogen und Prostitution überleben – eng umschlungen von »Santa Muerta«, dem heiligen Tod. Dabei gibt »Whores‘ Glory« jeder Frau ihren eigenen Raum, lässt sie ihre persönliche Geschichte erzählen: von Sehnsüchten, Hoffnungen, Begierden, von der Bitterkeit und Schönheit der Realität – ihrer eigenen, aber auch der, für die der Freier bezahlt.

Nach Glawoggers Meinung hinkt der Dokumentarfilm hinter der Großartigkeit des wirklichen Lebens hinterher. Persönlich sei es ihm nie gelungen, sämtliche Erfahrungen und Recherchen in einem Dokumentarfilm zu vermitteln. Seine Filme bezeichnete er nicht als Dokumentarfilm im klassischen Sinn, sondern als ein Tänzeln an der Grenze zwischen Inszeniertem und Nichtinszeniertem, wobei »Workingman’s Death« im Vergleich zu seinen anderen Filmen der dokumentarischste sei und essayistische Züge habe. 

Bei der vom Haus des Dokumentarfilms organisierten DOK Premiere von »Whore’s Glory« in Ludwigsburg erzählte er von seinem zukünftigen Projekt. Er wollte ein Jahr um die Welt reisen, ohne festes Drehbuch. Er kalkulierte ein Budget von zwei Millionen Euro und war sich nicht sicher, ob er das Geld ohne Treatment bekommen würde. Er erhielt dann eine »Carte
Blanche« – das Vertrauen in ihn und seine Arbeit war bei Förderungen und Sendern vorhanden. Im Dezember 2013 begann er seine Reise in Kroatien. Wöchentlich veröffentlichte er in einem Blog mit dem Titel »Glawoggers Tagebücher«. Bei den Dreharbeiten zu seinem »Film ohne Namen« starb er im April 2014 im afrikanischen Monravia an Malaria.

Michael Glawogger pendelte zwischen filmischen Formen und Genres, zwischen Filmemachen, Fotografieren, Schreiben. Das berichtete er auch bei seinem Aufritt bei unserem Branchentreff Dokville 2009. Nur drei Tage vorher sagte er damals sein  erscheinen zu. Er war damals intensiv mit seinem kommenden Dokumentarfilm »Whore’s Glory« beschäftigt. 

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Kinostart:2005
27.04.2006 in Deutschland
weitere Titel:
Workingman’s Death
Śmierć człowieka pracypl
Workingman's Death
Смерть робітника
La Mort du travailleur
Смерть рабочего
工人煉獄zh-hant
工人炼狱zh-cn zh-hans zh
Բանվորի մահըhy
Arbejderens død
مرگ کارگرfa
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Österreich, Deutschland
Originalsprache:Deutsch, Russisch, Englisch, Persisch, Indonesisch, Yoruba, Paschtu, Mandarin
Farbe:Farbe
IMDB: 1742
Verleih:Netflix, iTunes
Offizielle Webseite:www.workingmansdeath.at
Regie:Michael Glawogger
Drehbuch:Michael Glawogger
Kamera:Wolfgang Thaler
Schnitt:Monika Willi
Musik:John Zorn
Produzent:Pepe Danquart
Erich Lackner
Mirjam Quinte
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Rezensionen:

2007
German Film Awards
Film Award in Gold
Outstanding Documentary (Programmfüllende Dokumentarfilme)
Gewinner
2007
Directors Guild of America, USA
DGA Award
Outstanding Directorial Achievement in Documentary
Nominiert
2006
Yerevan International Film Festival
Grand Prix - Golden Apricot
Best Documentary Film
Gewinner
2005
CPH:DOX
CPH:DOX Award
Gewinner
2005
Gijón International Film Festival
Special Jury Award
Gewinner
2005
Leipzig DOK Festival
FIPRESCI Prize
Gewinner
2005
London Film Festival
Grierson Award
Gewinner
2005
European Film Awards
Best Documentary Award
Nominiert
2005
European Film Awards
European Film Award
European Documentary
Nominiert
2005
Gijón International Film Festival
Grand Prix Asturias
Best Film
Nominiert
Datenstand: 07.05.2022 12:46:42Uhr