Jüdisches Leben: Zwischen Alltag und Angst? - Unterwegs im Westen

"Heute werden wir mit Klarnamen im Internet beschimpft. Und aus Schulen hören wir, dass Jude wieder ein Schimpfwort auf den Schulhöfen ist", erzählt Michael Rubinstein. Er ist Geschäftsführer des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Nordrhein und erlebt, wie sich jüdisches Leben in Deutschland verändert.

* "Sobald wir Angst haben, gehen wir"

Autorin Lena Rumler hat Michael Rubinstein und andere Menschen für die WDR-Reportage "Unterwegs im Westen" begleitet. Darunter: jüdische Kinder und Jugendliche, denen ihre Identität und der Zusammenhalt untereinander wichtig ist. Wie die 12-jährige Yael, die auf das jüdische Gymnasium in Düsseldorf geht. Ihre Familie lebt den jüdischen Glauben, wenn auch nicht immer sehr streng. Auch am Shabbat, dem jüdischen Feiertag, dürfen Yael und ihre Geschwister zu Kindergeburtstagen gehen, obwohl das nicht den religiösen Vorschriften entspricht. Doch Yaels Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder auch nichtjüdische Freunde haben. Ein ganz normales Leben also? Einerseits ja, andererseits aber auch nicht. "Meine Mama sagt mir immer, sobald wir Angst haben, gehen wir", meint Yael dazu. Weg aus Deutschland. Bislang fühlen sie und ihre Familie sich hier sicher und zuhause.

* Teilnahme am Jewrovison - dem größten jüdischen Gesangswettbewerb

Ein besonderer Höhepunkt ist für Yael dieses Jahr die Teilnahme am "Jewrovision" in Dresden, dem größten jüdischen Tanz- und Gesangswettbewerb Europas. Auch Michael Rubinstein ist mit einer Jugendgruppe dabei. Für die über 2.000 Kinder und Jugendlichen aus ganz Deutschland ist die Teilnahme etwas ganz Besonderes.

* Bedrohung vor allem vom rechten Rand der Gesellschaft

Im Alltag verschweigen viele Juden in NRW ihre Religionszugehörigkeit aus Angst vor Anfeindungen. Die Bedrohung kommt vor allem vom rechten Rand der Gesellschaft. Seit einiger Zeit ist aber auch der Antisemitismus unter Muslimen ein öffentlich diskutiertes Thema. Michael Rubinstein will dem nachgehen und den Dialog zwischen Muslimen und Juden verstärken. Dafür fährt er nach Duisburg-Marxloh. Mit Mehmet Ösay, einem ehemaligen Vorsitzenden der örtlichen DITIB-Moschee, macht er ein Experiment. Sie wollen herausfinden, wie die Muslime in Marxloh reagieren, wenn Michael Rubinstein mit Kipa, der Kopfbedeckung männlicher Juden, durch das Viertel läuft.
Die Reportage von Lena Rumler bietet einen seltenen Einblick in jüdisches Leben in NRW. Ein Leben mit vielen Sorgen und Ängsten, aber auch einem jüdischen Alltag frei und fernab von antisemitischer Bedrohung.
Film von Lena Rumler

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 27.01.2022 um 00:10 Uhr auf WDR.