Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto

Wer will unsere Geschichte aufschreiben?
Dokudrama, USA 2018
85min
Quelle: Pressebild (zdfPresse)
Quelle: Pressebild (zdfPresse)

Es ist eine der bemerkenswertesten und bislang unerzählten Geschichten des Holocaust: Der junge Historiker Emanuel Ringelblum initiierte und leitete im Warschauer Getto ein Untergrundarchiv.

Dort wurden Tagebücher und Fotos, NS-Verordnungen und jiddische Poesie gesammelt und vergraben, um der Nachwelt ein authentisches Zeugnis vom Leben im Getto und den Verbrechen der NS-Besatzer zu geben. Seit 1999 ist das Archiv Weltdokumentenerbe der UNESCO.

"Wer schreibt unsere Geschichte? Wie können wir sicherstellen, dass unsere Erlebnisse, unsere Traditionen, unser Leid durch unsere eigenen Zeugnisse und nicht nur aus der menschenverachtenden Perspektive der Nazis überliefert werden?" Getrieben von diesen Fragen und Motiven haben Emanuel Ringelblum und seine rund 60 Mitstreiter über Jahre hinweg ein Geheimarchiv im Getto betrieben und gefüllt.

Zeitzeugenberichte und Kinderzeichnungen, Lebensmittelkarten und Plakate aus jüdischen Theatern, Zeugnisse des religiösen Lebens und die Benennung konkreter Verbrechen, sowohl von Deutschen als auch von Polen und Juden - das Archiv sollte ein möglichst breites und ungefiltertes Bild des dem Untergang geweihten Lebens im Getto widerspiegeln.

Emanuel Ringelblum promovierte 1927 über die Geschichte der Warschauer Juden im Mittelalter. Er begann im Oktober 1939 mit der Organisation eines konspirativen Netzwerks. Seine Mitstreiter, die die verschiedensten politischen und kulturellen Richtungen repräsentierten, begannen in ihren jeweiligen Kreisen zu sammeln. Über die Arbeit im Archiv hinaus waren die Mitglieder der Gruppe auch in Hauskomitees, bei der Organisation von Suppenküchen und in anderen Selbsthilfeorganisationen aktiv, die das Überleben im Getto sichern sollten.

"Oneg Shabbat", "Freude am Shabbat", war der Tarnname der Gruppe, die bis auf drei Mitstreiter im Zuge der Räumung des Gettos ermordet wurden. So auch Emanuel Ringelblum, der im März 1944 zusammen mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn von Deutschen erschossen wurde.

Eine der Überlebenden ist Rachel Auerbach, aus deren Perspektive der Film erzählt wird. Sie machte sich nach Kriegsende auf die Suche nach den verborgenen Kisten im zerstörten Warschau. Im September 1946 wurden zehn Blechkisten mit 1208 Archivalien tief unter den Trümmern eines Hauses wiedergefunden. Im Dezember 1950 konnten zwei große Milchkannen mit weiteren 484 Archivalien geborgen werden, andere Teile des Archivs blieben unauffindbar.

Heute wird die Sammlung "Oneg Shabbat" im Jüdischen Historischen Institut in Warschau aufbewahrt, sie umfasst etwa 25 000 Seiten.

Der Film von Roberta Grossman erzählt von der Entstehung des Untergrundarchivs und von der ersten Begegnung zwischen Rachel Auerbach und Emanuel Ringelblum, über die Weiterentwicklung des "Oneg Shabbat" bis zur Räumung des Gettos und dem Auffinden der vergrabenen Dokumente nach dem Krieg. Mit aufwendigen Spielszenen, zeithistorischen Aufnahmen, Aussagen von renommierten internationalen Experten und vielfältigen Auszügen aus den überlieferten Tagebüchern werden das alltägliche Leiden im Getto, der Hunger, die Verzweiflung - und die leidenschaftliche gemeinsame Arbeit an einer eigenen, jüdischen Überlieferung veranschaulicht.

Quelle: Presseportal

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 28.01.2020 um 22:20 Uhr auf 3sat.