Im Griff der Upper Class
ARD-Korrespondentin Annette Dittert lebt als Wahlbritin in London. Sie liebt Großbritannien. Und die Briten, die auch die schwierigsten Situationen oft mit einem Augenzwinkern meistern.
Doch schon seit einiger Zeit hat sich das schleichend geändert. Das Land ist kaputt, das ist Annette Ditterts Gefühl auf ihren Drehreisen. Mehr als sieben Millionen Briten warten auf einen Arzttermin, die Gefängnisse sind überfüllt.
Jüngsten Statistiken zufolge lebt jedes dritte Kind in Armut. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass der Großraum London überdurchschnittlich reich ist. Doch subjektiv jammern die Briten viel weniger, es wird kaum protestiert. Stattdessen herrschen Hoffnungslosigkeit und Apathie.
Woran liegt das? Sicher an den zermürbenden Jahren nach dem Brexit. Aber die wahren Ursachen liegen viel tiefer, meint Annette Dittert. Der Brexit sei ein Faktor, die Politik der konservativen Regierungen ein anderer. Aber auch diese Erklärungen greifen noch zu kurz. Für Annette Dittert und Kira Gantner, freie Filmautorin, hat das Klassensystem in Großbritannien einen wesentlichen Anteil an dem Zustand des Landes.
Noch immer dürfen Lords und Ladys undemokratisch die Politik mitbestimmen, ist der König viel mehr als nur eine repräsentative Figur: Das britische Königshaus hat weit mehr politische Macht als die anderen noch existierenden europäischen Monarchien. Und das übersetzt sich in diese seltsame Apathie, die man auch unter dem Begriff "Keep Calm and Carry On" kennt. Warum soll man sich als Bürgerin und Bürger auflehnen, wenn sich doch seit Jahrhunderten am "Oben und Unten", an der Aufteilung in Arm und Reich wenig geändert hat?
Daraus stellt sich fast zwangsläufig die Frage: Wäre Großbritannien ohne König und Adel besser dran?
Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 10.09.2024 um 23:52 Uhr auf 3sat.