Gift im Klassenzimmer

Ein Film von Birgit Tanner

Lehrer und Kinder zugleich: Viele von Ihnen setzen sich täglich Giftstoffen aus, ohne es zu wissen. Asbest, PCB, Formaldehyd, Weichmacher und Co. verpesten die Luft in den Klassenzimmern der Nation. Die direkten Folgen: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Übelkeit und Atemnot bis hin zu allergischen Reaktionen, Vergiftungen und Immunkrankheiten. Manche Chemikalien stehen sogar im Verdacht, die Zeugungsfähigkeit zu beeinträchtigen oder Krebs zu fördern. Solche Folgen werden erst in vielen Jahren zu spüren sein.
Für eine bessere Luft in Deutschlands Schulen werde zu wenig getan, mahnt Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt. Das fängt schon beim Lüften oder Reinigen an und hört bei der Sanierung auf. Doch oft fehlt den Kommunen das Geld für eine aufwändige Schulsanierung. Notwenige Baumaßnahmen werden über Jahre verschleppt. Das ärgert Jörg Roeber in München. Der alleinerziehende Vater hat nur per Zufall Wind davon bekommen, dass seine Tochter täglich im Klassenzimmer den Giftstoff PCB eingeatmet hat.
Denn überall schwirrt die Chemikalie in der Eduard-Spranger-Mittelschule herum, die aus Fugenmassen in den Wänden entweicht. Über 20 Jahre ist das Problem nun schon bekannt, getan wurde bisher nicht viel. PCB wurde in den 1960er Jahren oft beim Bauen verwendet, heute ist es nur mit großem Aufwand zu entfernen. Und - es ist teuer. Oft müssen die Gebäude gleich vollständig abgerissen und neu gebaut werden.
Und selbst nach einem Neubau kann sich niemand ganz sicher sein. Altlasten sind dann zwar entfernt, aber der Teufel steckt im Detail. Auch zahlreiche neue Bauprodukte emittieren ständig Chemikalien und verpesten so die Luft. Alkane, Terpene, Aldehyde, Ketone, Ester, Naphthalin usw. Beim TÜV Rheinland werden solche Bauprodukte getestet. Was Schüler und Lehrer täglich einatmen, liest sich wie ein Rezept für einen Chemie-Cocktail. Zwischen 300 und 400 flüchtige organische Verbindungen finden Tester in der Luft von Innenräumen. Große Probleme bereiten immer wieder Böden, sagt der Experte für wohngesundes Bauen, Peter Bachmann. Oft werden falsche Kleber eingesetzt oder Materialien verwendet, die nicht zueinander passen und giftige chemische Reaktionen auslösen können. Manchmal werden die Böden auch mit aggressiven Mitteln gepflegt.
Gertraud Hofmann war fast 20 Jahre im Schuldienst, als sie nach den Sommerferien 2007 in Klassenräumen allergisch reagierte. Dazu kamen Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Schnupfen. Auch andere Lehrer klagten über Kopfschmerzen und Unwohlsein. Ein Umweltmediziner diagnostizierte bei Gertraud Hofmann die Krankheit MCS, eine multiple Chemikaliensensitivität, die sich über längere Zeit entwickelt hat und vermutlich durch einen neuen Stoff letztlich ausgebrochen ist. Die Schulleitung veranlasste daraufhin Raumluftmessungen. Die zeigten: die Schadstoffwerte lagen alle im zulässigen Bereich. Es begann eine Sisyphusarbeit. Am Ende machte man riesige Pinnwände aus, die wohl Substanzen absonderten, die Lehrer und Schüler beeinträchtigten. Welche Substanzen es waren, konnte zwar nicht festgestellt werden. Doch seitdem die Pinnwände weg sind, gibt es keine Klagen mehr.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Mittwoch, den 01.02.2017 um 18:00 Uhr auf Phoenix.

01.02.2017
18:00
Livestream
Alternative Ausstrahlungstermine:
01.02.2017 18:00 Uhr Phoenix