Länder-Menschen-Abenteuer

Kampf um Amazonien (2/3): Das Justizschiff

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Seit 13 Jahren reist Richterin Sueli Pini mit einem Justizschiff alle zwei Monate von der Provinzhauptstadt Macapá in die entlegenen Dörfer am Amazonas-Delta. Viele Menschen dort haben weder Pass noch Geburtsurkunde und sind bei keiner staatlichen Stelle registriert. Sie leben in unzugänglichen Weilern und Dörfern, haben keinen Zugang zu Sozialleistungen, nicht zum Gesundheitssystem, nicht zur Justiz. Mit dem Justizschiff bringt Sueli Pini ein ganzes Bündel staatlicher Dienstleistungen.
Der Dampfer beherbergt ein Gericht mit Staatsanwalt, Gerichtsvollziehern und Pflichtverteidigern, ein Ärzteteam mit Zahnarzt, Ärztin und Krankenschwestern und ein Passamt mit Beamten und Ausweisformularen. Jeden Morgen wird der Schlafsaal im Zwischendeck in einen Gerichtssaal verwandelt. Der Dampfer füllt sich dann mit Menschen aus der Region. Verhandelt werden neben Grundstücksstreitigkeiten vor allem familienrechtliche Angelegenheiten und kleinere Gewaltverbrechen. Außerdem berät die Crew bei Behördengängen jeder Art und hilft bei der Formulierung von Anträgen auf Familiengeld, Rente oder Gesundheitsleistungen.
Doña Enriqueta verklagt einen Nachbarn, der seine Büffel auf ihrem Grundstück grasen lässt; die frisch geschiedene siebenfache Mutter Rosinalda muss vor ihrem gewalttätigen Ex-Ehemann geschützt werden, und der 17-jährige Schrotflintenschütze Roberto soll wieder zurück auf den Pfad der Tugend gebracht werden. Es geht um streitende Schülerinnen und um den Unterhalt für außereheliche Kinder, um nie vermessene Grundstücksgrenzen und um einen Eimer, mit dem ein Fischer einen anderen geschlagen haben soll. Richterin Sueli Pini versucht immer wieder, einen Kompromiss oder Vergleich zwischen Täter und Opfer, zwischen Kläger und Beklagten zu vermitteln. Sie ringt um Entschuldigung und Entschädigung.
Mit an Bord ist auch ein medizinisches Team, das Wurmkuren verschreibt und verfaulte Zähne zieht, sowie ein Passamt, das den Menschen hier mit Ausweisen und Geburtsurkunden zu einer Existenz im Sinne des brasilianischen Staates verhilft.
Richterin Sueli Pini muss um jede ihrer Reisen kämpfen: "Noch größer als die geographische Distanz sind die kulturellen Entfernungen, die wir zu überbrücken haben. Die meisten meiner Kollegen und Vorgesetzten waren noch niemals hier, deshalb können sie nicht wertschätzen, wie wichtig unsere Reisen für die Menschen vor Ort und für den brasilianischen Staat sind." Bislang konnte sie sich durchsetzen. Ihr Justizschiff wird weiter die "Vergessenen" am Amazonas aufsuchen, um aus ihnen Bürger des brasilianischen Staates zu machen, die die ihnen zustehenden staatlichen Dienstleistungen auch nutzen können.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 22.11.2016 um 11:15 Uhr auf BR.