Mein Ausland: Libanon - Vernarbtes Land

Film von Volker Schwenck

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Beirut galt als das Paris des Nahen Ostens - bis 1975. Dann begann ein 15 Jahre andauernder Bürgerkrieg, der das Land tief spaltete. Bis heute sind auch in Beirut die Spuren dieses Krieges sichtbar. Zerrissene Fassaden und ausgebrannte Ruinen haben den Bauboom der Nachkriegsjahre überdauert, neue Brandspuren und Einschüsse sind sogar hinzugekommen.
Libanons Nachbar Syrien bestimmt seit Jahrzehnten die Politik im Libanon mit. In Tripoli kämpften während des Bürgerkrieges Angehörige der alawitischen Minderheit im Libanon an der Seite syrischer Soldaten gegen sunnitische Milizen. Eine große Zahl der libanesischen Alawiten lebt in Jabel Mohsen, einem Stadtviertel von Tripoli, umgeben von sunnitischen Quartieren. Immer wieder kam es zu blutiger Gewalt zwischen beiden Seiten. Aber auch Aussöhnung ist möglich: ein Theaterprojekt hat junge Alawiten und Sunniten zusammengebracht. "Früher dachte ich, die Sunniten sind alles Terroristen", sagt Ali, ein Alawit, "aber die sind wie wir."
In der jüngsten Vergangenheit hat der Bürgerkrieg in Syrien die Spannungen im Libanon zusätzlich angeheizt: eine Million syrische Flüchtlinge haben sich in den Libanon mit seinen vier Millionen Einwohnern gerettet. Weil die libanesische Hisbollah-Miliz in Syrien an der Seite von Machthaber Assad kämpft, kommt es zu Anschlägen sunnitischer Extremisten im Libanon.
Im Bürgerkrieg kämpften Muslime gegen Christen. Heute leben Christen verschiedener Konfessionen mit Sunniten, Schiiten, Alawiten und Drusen zwar oberflächlich friedlich zusammen - doch immer noch ist die Gesellschaft entlang religiöser Linien gespalten. Eine standesamtliche Eheschließung ist im Libanon nicht möglich. Angehörige verschiedener Religionen lassen sich im Ausland trauen - und zahlen für ihre Liebe oft einen hohen Preis. Die Ehe mit einem Andersgläubigen bringt häufig den Ausschluss aus der eigenen Glaubensgemeinschaft und den damit zusammenhängenden sozialen Beziehungen mit sich. "Ich habe es satt, dass die Religion unsere Gesellschaft bestimmt", sagt eine Schiitin in Beirut, die einen Sunniten geheiratet hat, "ich verzweifle an diesem Land."
Der Bürgerkrieg hat tiefe Narben hinterlassen in der libanesischen Geschichte, im Land und in der Gesellschaft. Und trotzdem zelebrieren die Libanesen eine Art von Lebensfreude, für die sie in der ganzen Region berühmt sind. "Wenn in Europa ein Bombenanschlag passiert, dann ist das öffentliche Leben wochenlang gelähmt", sagt der Beiruter Modeschöpfer Abed Mahfouz. "Wenn im Libanon eine Bombe explodiert, dann schauen wir, wie man den Anschlagsort am besten umfahren kann und sind eine halbe Stunde später in der Discothek."

Die Sendung wird ausgestrahlt am Samstag, den 04.06.2016 um 10:45 Uhr auf Phoenix.