MENSCH LEUTE

Darias neue Welt - Ein Flüchtlingsmädchen im Hunsrück

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Daria ist 13. Sie chillt gerne, chattet über Facebook, schwärmt zum ersten Mal für einen Jungen - ein ganz normaler Teenager. Fast. Daria ist ein Flüchtlingsmädchen. Vor drei Jahren floh ihre Familie unter Lebensgefahr aus Afghanistan, über den Iran, Griechenland und die Türkei. Zu Fuß, mit nichts als ein paar Taschen und zwei kleinen Brüdern im Schlepptau. Etwa 5000 Kilometer liegen zwischen der alten und der neuen Heimat. Tatsächlich sind es zwei Welten.
Ihre neue Heimat heißt Hunsrück, genauer Büchenbeuren, eine kleine Gemeinde mit knapp 2000 Einwohnern, zehn Prozent davon sind Flüchtlinge. Ort der Begegnung ist das Café International, viele im Dorf engagieren sich. Büchenbeuren hat Erfahrung mit Zuwanderung, über ein Drittel hier sind Russlanddeutsche.
Daria geht in die Realschule, sie ist gut in Mathematik und beliebt bei den anderen. Freundschaften sind jetzt das Wichtigste, sagen Experten. Darias Mutter Gitti hat die Flucht nicht gut verkraftet, sie spricht kaum und lacht wenig. Nicht zuletzt auf Darias Drängen hin besucht sie dennoch regelmäßig einen Deutschkurs für Frauen. Auch Mohammed, der Vater, hat viel Schlimmes mitgemacht. Die Taliban töteten seine Eltern und die jüngere Schwester. Aber seine Würde konnten sie ihm nicht nehmen, sagt der studierte Psychologe. Wann immer es geht, hilft der Vater auf dem Hahn bei den neuen Flüchtlingen - um etwas zurückzugeben.
Auch Mohammed besucht mehrmals die Woche einen Sprachkurs, ist fleißig und genau. Für Darias Geschmack allerdings nicht fleißig genug. Sie ist streng mit den Eltern, meint, sie müssten sich mehr anstrengen, schließlich sei Deutschland jetzt ihre neue Heimat. Dass Zuhause immer nur afghanisch gesprochen wird, findet Daria gar nicht gut. Inzwischen wird sie dabei auch von ihren kleinen Brüdern Yusuf und Mustafa unterstützt, die ihr Kleinkinder-Deutsch ganz selbstverständlich vom Kindergarten mit nach Hause bringen.
Seit ein paar Monaten leben die Sharifis nun wieder in Sorge. Afghanistan gilt mittlerweile als sicheres Herkunftsland, die Familie kann jederzeit abgeschoben werden. Und das, obwohl die Taliban aktuell wieder auf dem Vormarsch sind. Daria treten die Tränen in die Augen, wenn sie nur daran denkt. Für sie wäre die Rückkehr eine Katastrophe. In Afghanistan dürfen Mädchen noch nicht mal in die Schule gehen, sagt sie voller Wut. Die Männer dort dürften alles, sogar Frauen schlagen. Genauso wenig versteht sie, wie man Menschen nach ihrer Religion beurteilt. In Deutschland hat sie jetzt muslimische und christliche Freunde. Was zählt, sei das Herz. Klare Ansichten eines klugen Mädchens.
In "Mensch Leute" erzählen die Filmemacher Geschichten, die sich hinter den Kulissen des scheinbar Alltäglichen ereignen - und die man so kaum für möglich halten würde. Das Spannende, Unerwartete, Kuriose und Überraschende hinter der ganz normalen Alltagsgeschichte gilt es zu entdecken. Ob millionenschwerer Rentner, der sein Erbe verschenkt, oder totgesagter Fixer, der zum gefeierten Triathleten wird: Die Geschichten, die "Mensch Leute" erzählt, klingen oft unglaublich, stammen aber aus dem ganz normalen Leben.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Samstag, den 04.06.2016 um 19:30 Uhr auf tagesschau24.