Junge? Mädchen? Egal!

Schweden ringt um Gleichberechtigung

Jungs spielen Fußball, Mädchen mit Puppen: Solche Geschlechter-Stereotype will Schweden bekämpfen - und zwar bereits im Kindergarten. Die Stockholmer Vorschule Egalia setzt auf eine geschlechtsneutrale Erziehung. "Kleine Jungs" und "kleine Mädchen" sind passé - hier gibt es nur noch "kleine Leute". Jungs sollen weinen dürfen und Mädchen sich auch mal raufen. Pädagogen feiern das Konzept, Kritiker sprechen von Genderwahn im Kindergarten.


Wenn Patriez von ihrem vierjährigen Kind Imi spricht, sagt sie nicht "mein Sohn" oder "meine Tochter", sondern einfach nur Imi. Wörter wie "Junge" oder "Mädchen" vermeidet sie im Alltag. Und die Frage, welches Geschlecht Imi hat, beantwortet sie nicht. Sie möchte ihr Kind geschlechtsneutral erziehen und es Imi selbst überlassen, wer und was Imi sein will. Dafür versucht sie eine Welt um Imi herum zu erschaffen, in der Sprache, Spielzeug und Kleidung frei von Geschlechterklischees sind.

Das Konzept der geschlechtsneutralen Erziehung setzt niemand so konsequent um wie Lotta Rajalin. Die Pädagogin hat 2010 den Stockholmer Kindergarten Egalia gegründet - heute eine der bekanntesten und umstrittensten Vorschulen des Landes. Ihre Vision: ein Ort der Gleichheit und Freiheit, eine neue Art Kindergarten. Mit den Puppen sollen hier Jungen und Mädchen spielen. Die Puppen haben kein erkennbares Geschlecht, sondern unterschiedliche Gesichtsausdrücke, die ihre Emotionen zeigen. Gefühle statt Geschlecht: Die Kinder dürfen mit verschiedenen Rollen spielen, heute Mädchen sein, morgen ein Junge. Alles ist erlaubt.

Nur bei alten Kinderliedern und Kinderbuch-Klassikern wird eingegriffen: Der Superheld wird dann zur Heldin umgedichtet und die schwedischen Pronomen "han" (er) und "hon" (sie) durch das geschlechtsneutrale Wort "hen" ersetzt. Das Kunstwort hat es inzwischen sogar in den schwedischen Duden geschafft. Neue Wörter, eine angepasste Sprache, die Vermeidung von Klischees in rosa und hellblau: Die Eltern hoffen, dass ihre Kinder in diesem geschlechtsneutralen Umfeld zu einem toleranteren und weltoffeneren Menschen heranwächst.

Kritiker sprechen von Gehirnwäsche im Kindergarten. Der Psychiater David Eberhard gehört zu den bekanntesten Gegnern der geschlechtsneutralen Erziehung, wie sie von Patriez und in Egalia praktiziert wird. Er sagt: Kinder würden unnötig verwirrt und könnten ihr Geschlecht und ihre Sexualität nicht unbedarft entdecken. Eberhard meint: "Jungs sind Jungs und Mädchen sind Mädchen" - und Pädagogen dürften diese biologischen Unterschiede nicht einfach ignorieren. Film von Norbert Lübbers und Philipp Juranek

Die Sendung wird ausgestrahlt am Montag, den 21.01.2019 um 09:30 Uhr auf tagesschau24.

21.01.2019
09:30
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Schlagwörter:Dokumentation/Reportage, Schule/Ausbildung, Psychologie, Schweden
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