Was wäre wenn...

... der Islam Europa erobert hätte?

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Die neue phoenix-Dokumentation "Was wäre, wenn…" unternimmt ein ungewöhnliches Gedankenexperiment zur Geschichte von Orient und Okzident: Was wäre geschehen, wenn im Mittelalter der Islam und nicht das Christentum zur dominierenden Religion Europas geworden wäre? Ein Team aus Historikern und Islamwissenschaftlern entwickelt plausible Szenarien zu möglichen Wendepunkten, an denen die Entwicklung des Westens, so wie wir ihn heute kennen, ganz anders hätte verlaufen können.


Als eine historische Weichenstellung in Richtung christliches Abendland gilt der Sieg des fränkischen Adeligen Karl Martell gegen das große Heer muslimischer Araber und Berber in der Schlacht nahe des französischen Tours im Jahr 732. In seinem Film lässt Martin Carazo Mendez diese historische Szene rückwärts laufen. Was wäre geschehen, wenn stattdessen der muslimische Heerführer Ab dar-Rahman, Statthalter des Kalifen-Imperiums aus Damaskus in Spanien, siegreich gewesen und die islamische Eroberung auch Nord- und Mitteleuropas gelungen wäre?

Den Blick schärfen für Handlungsspielräume damals und heute
"Das Ganze ist mehr als ein Gedankenspiel", erläutert Jean-Christoph Caron, der Dokumentations-Chef von phoenix, auf dessen Idee diese filmische Geschichtssimulation zurückgeht. "Derartige Was-Wäre-Wenn-Szenarien erweitern enorm den Blick auf die Macht von Zufällen und auf Handlungsspielräume, die Menschen zu allen Zeiten nutzen können."

"Kontrafaktische Geschichte"
Historiker nennen solche Geschichtsexperimente "kontrafaktische Geschichte". Einer ihrer deutschen Pioniere, Alexander Demandt, bekräftigt im Film, dass diese Spezialdisziplin nicht im Spekulativen stochert, sondern faktenreich mit historischen Wahrscheinlichkeiten operiert: "Sie erfindet keine Namen, sie erfindet keine Orte und spielt sozusagen auf dem Schachbrett der Geschichte mit den vorhandenen Figuren, nach den vorhandenen Regeln - aber ein anderes Spiel", so Demandt. Dabei geht es nicht darum, "alternative Fakten" zu schaffen, wie der Oxforder Historiker Johannes Dillinger klarstellt: "Wir ermitteln, welche Entscheidungsspielräume die Personen in der Vergangenheit tatsächlich hatten. Dadurch wird Geschichte vielschichtiger, sie verliert den deterministischen Charakter, der ihr immer noch gerne zugeschrieben wird." Neben Demandt und Dillinger vervollständigen die Mediävistin Claudia Garnier und der Islamwissenschaftler Peter Heine das Expertenteam des Films. Mit ihrer Hilfe spielen wir das Alternativszenario eines islamisch dominierten Europas durch.

Die Moschee zu Köln im Emirat "Frankistan"
Anstelle des Kölner Doms, der selbst auf einer frühmittelalterlichen Kirche der einstigen fränkischen Königsresidenz aufbaute, erheben sich Moscheen und Minarette über dem Emirat "Frankistan" - zumindest auf den im Film präsentierten Grafikanimationen. "Die Unterschiede zwischen einem hypothetischen islamischen und einem christlichen Europa, wären riesig gewesen", meint Johannes Dillinger. "Was wäre mit den großen und reichen Weinbauregionen geworden in einer Kultur, in der Wein nicht genossen wird? Hätten wir Sklavenmärkte in den Städten des mittelalterlichen Europa gehabt?" Europa hätte sich aber nicht nur äußerlich verändert: "Wenn der Islam von Andalusien nach Europa gekommen wäre", so der Islamwissenschaftler Peter Heine, "dann wäre die Gesellschaft sicher toleranter gewesen als die, die wir dann in der realen Geschichte kennengelernt haben."

Er untermauert seine These u.a. mit Verweis auf das arabisch geprägte Andalusien des Mittelalters, in dem Muslime, Christen und Juden weitgehend friedlich zusammenlebten. "Al- Al-Andalus wurde als Land der drei Religionen wahrgenommen", beschreibt Claudia Garnier das maurische Spanien. Film von Martin Carazo Mendez

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 06.12.2018 um 05:15 Uhr auf PHOENIX.