Im Bann der Blitze

Film von Manfred Christ

Sie erleuchten die dunkelste Nacht taghell: Gewitter. Ihre Erforschung ist eines der großen Abenteuer der Wissenschaft. Auf unserem Planeten sind stets mehr als 2000 Gewitter aktiv, die jede Sekunde etwa 100 Blitze produzieren. Terra X begleitet ein Filmteam auf seiner Jagd nach den Blitzen um die halbe Welt zu den Hotspots der Gewitter.


Das Zeitalter der modernen Blitzforschung begann mit einer Beinahkatastrophe: Beim Start von Apollo 12, dem zweiten bemannten Flug zum Mond, wüteten am 14. November 1969 über Florida starke Gewitter. Kurz nach dem Start schlugen zwei Blitze in die Rakete ein und legten fast die gesamte Bordelektronik lahm. Der Schaden konnte zum Glück behoben werden. Und: Auf einmal standen für die Blitzforschung nie da gewesene Budgets zur Verfügung. Seitdem arbeiten Forscher weltweit an der Entschlüsselung der Gewitter. Dabei stehen sie vor zwei großen Herausforderungen: Zum einen dauert ein Blitz maximal eine Sekunde lang, und zum anderen ist es lebensgefährlich, ihm zu nahe zu kommen. Doch in den vergangenen zwanzig Jahren hat die Gewitterforschung spektakuläre Fortschritte gemacht. Dank eines weltweiten Blitzortungssystems weiß man inzwischen, dass Blitze und Gewitter nicht bloß gefährlich schöne Naturschauspiele sind, sondern auch das Klima der Erde entscheidend beeinflussen. Seit es diese Sensoren gibt, bleibt gewissermaßen kein einziger Blitz unbeobachtet. Forscher haben beispielsweise entdeckt, dass bei 90 Prozent aller Unwetter vor der Ostküste Amerikas kurz zuvor überdurchschnittlich viele Gewitter in Zentralafrika stattfanden. Die afrikanischen Gewitter stören die Passatwinde. Sie stehen wie Felsen in der Luft, an denen sich Wirbel bilden. Je stärker das Gewitter, desto größer die Wirbel, aus denen Tiefdruckgebiete entstehen. Aus jedem Zweiten entwickelt sich über dem Atlantik ein tropischer Sturm. Erkenntnisse wie diese sind von unschätzbarem Wert. Leider lassen Wirbelstürme auch in naher Zukunft nicht verhindern, aber man kann sie präzise vorhersagen.
Die Blitzforschung ist zwar noch eine relativ junge Wissenschaft, aber gewisse Gesetzmäßigkeiten sind schon seit längerem bekannt. Beispielsweise gibt es mehr Blitze über dem Land als über dem Ozean. Denn der aufgeheizte Boden begünstigt die Entstehung von Gewittern und damit von Blitzen. Gewitter entstehen, wenn unterschiedliche Luftmassen aufeinandertreffen. An kaum einem anderen Ort ist dieses Gemisch aus heißem Boden und feuchter Luft so explosiv wie in Darwin, der selbsternannten Gewitterhauptstadt der Welt. Im australischen Sommer sorgen Passatwinde dafür, dass sich täglich hohe Wolkentürme aufbauen, die sich allabendlich in einem Gewitter entladen. Je mehr sich die Wissenschaftler mit den Blitzen beschäftigen, desto deutlicher wird, wie wenig man über dieses Naturphänomen weiß. Selbst die Frage, wie ein Blitz entsteht, konnte noch nicht restlos geklärt werden, auch wenn die Grundvoraussetzungen bekannt sind. Eine Blitzentladung dauert üblicherweise eine halbe Sekunde - kann aber nur ein paar Tausendstel Sekunden betragen. Das hängt von der Zahl der Folgeblitze ab. Denn "ein" Blitz besteht aus einem Leitblitz, einem Hauptblitz und Folgeblitzen. Sind es nur wenige, ist er kürzer; sind es viele, dauert er länger. Schwierig zu erfassen waren lange auch Details eines Blitzes. Denn Blitze sind unvorstellbar schnell: Mit bis zu 360 Millionen Stundenkilometern jagen sie über den Himmel - zu schnell für das menschliche Auge. Neu entwickelte Hochgeschwindigkeits-Videokameras ermöglichen es nun, viele Details einer Blitzentladung sichtbar zu machen. Sie bannen die Blitze in all ihren Phasen mit bis zu 30.000 Bildern pro Sekunde auf den Film. Geheimnisvolle Blitze Noch sehr geheimnisvoll sind Blitze, die sich über Gewittern bis in den Bereich der Ionosphäre in 90 Kilometern Höhe entladen. Kobolde, Blue Jets oder Sprites nennt die Wissenschaft diese extrem flüchtigen Leuchterscheinungen. In 50 bis 80 Kilometern Höhe rasen sie in Millisekunden gleichzeitig nach oben und unten. Manche dieser Erscheinungen reichen über Distanzen von mehr als hundert Kilometern, allesamt sind sie mit bloßem Auge vermutlich nicht wahrzunehmen. Wissenschaftler jagen diese bunten Blitze mit Thermokameras von nie dagewesener Lichtempfindlichkeit. Bisher sind nur wenige Aufnahmen gelungen. Auch die Erforschung der Kugelblitze, die oft hart an der Grenze zur Pseudowissenschaft angesiedelt ist, hat neuen Antrieb bekommen. Brasilianischen Wissenschaftlern ist es gelungen, leuchtende Plasma-Kugeln zu erzeugen, die frappant jenen Leuchtkugeln ähneln, die Augenzeugen seit Jahrhunderten als Kugelblitze beschreiben. Ob es den Wissenschaftlern damit aber tatsächlich gelungen ist, eine Variante der Kugelblitze zu erzeugen, die unter natürlichen Umständen bei Gewittern entstehen, bleibt allerdings noch offen.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 04.12.2018 um 05:15 Uhr auf PHOENIX.

04.12.2018
05:15
Audio-Format:stereo
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Farbe:farbe
Audio-Beschreibung: nein
Hörhilfe: nein
HDTV: nein
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Schlagwörter:Dokumentation/Reportage, Wissenschaft/Forschung, Natur
Alternative Ausstrahlungstermine:
04.12.2018 05:15 Uhr PHOENIX
19.10.2015 06:45 Uhr Phoenix