Neues Wirtschaftswunder

Wer gewinnt beim Aufschwung

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

In den späten 1990er Jahren wurde Deutschland häufig als "kranker Mann Europas" bezeichnet, doch längst gilt es wieder als "ökonomischer Superstar". Die Dokumentation "Neues Wirtschaftswunder" rekonstruiert Deutschlands Weg aus den Krisen der vergangenen Jahrzehnte, zeigt Gewinner und Verlierer und geht der Frage nach, welche Hypothek für die Zukunft mit dem Aufschwung verbunden ist.
Vor rund 20 Jahren galt Deutschland als "kranker Mann Europas", heute blickt so mancher Nachbar neidisch auf das "German Jobwunder".


In den späten 1990er Jahren wurde Deutschland häufig als "kranker Mann Europas" bezeichnet, doch längst gilt es wieder als "ökonomischer Superstar". Die Dokumentation "Neues Wirtschaftswunder" rekonstruiert Deutschlands Weg aus den Krisen der vergangenen Jahrzehnte, zeigt Gewinner und Verlierer und geht der Frage nach, welche Hypothek für die Zukunft mit dem Aufschwung verbunden ist.

Vor rund 20 Jahren galt Deutschland als "kranker Mann Europas", heute blickt so mancher Nachbar neidisch auf das "German Jobwunder". Wie kam es zu dem wundersamen Boom? Und zu welchem Preis? Sprudelnde Steuereinnahmen, sagenhafte Exportüberschüsse und sinkende Arbeitslosenzahlen - Deutschland geht es so gut wie lange nicht.

Zugleich sind viele überzeugt, dass der Wohlstand ungerecht verteilt ist - denn der Aufschwung kommt nicht bei allen an. Die Dokumentation rekonstruiert Deutschlands Weg aus den Krisen der vergangenen Jahrzehnte, zeigt Gewinner und Verlierer des "neuen Wirtschaftswunders" und welche Hypothek für die Zukunft mit dem Aufschwung verbunden ist.

Im März 2003 verkündet der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestag die Grundzüge einer tiefgreifenden Sozial- und Wirtschaftsreform. Wegen des alles überlagernden Irakkriegs ist der Widerhall zunächst gering. Dabei hat es die Rede in sich. Der Kanzler verkündet: "Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen." Was Gerhard Schröder als "Agenda 2010" ankündigt, soll Schluss machen mit der lange beklagten Erstarrung der alten Bundesrepublik. Viele Ökonomen sehen einen Zusammenhang zwischen Deutschlands wirtschaftlichem Aufschwung und den umstrittenen Hartz-Reformen. Andere dagegen bestreiten das. Fest steht: Die Maßnahmen werfen lange Schatten - seither boomen Billig-Lohn-Sektor und Leiharbeit; Arbeitnehmer müssen damit rechnen, nach ein bis zwei Jahren ohne Job in die Grundsicherung zu rutschen.

Deutschlands Antwort auf die Globalisierung, auf die Euro- und Finanzkrise lautete bisher stets Liberalisierung. Eine Strategie, die viele Gewinner produziert hat. Vor allem am oberen Ende der Gesellschaft. Das Nachsehen haben kleine Arbeiter und Angestellte: die Kindergärtnerin aus Hamburg, die den Reichtum der anderen vor Augen hat und selbst gerade so über die Runden kommt; der Leiharbeiter, der jahrelang Lohneinbußen hingenommen hat und dessen Hoffnung auf eine feste Stelle täglich kleiner wird.
"Unten fahren die Rolltreppen falsch herum, man muss sich mühen, um auf der Stelle zu bleiben. Oben geht es aber dagegen anstrengungslos immer weiter hinauf", sagt der Soziologe Oliver Nachtwey.

Dass es der deutschen Wirtschaft heute so gut geht, liegt auch an historischen Zufällen: Wie in keinem anderen Land profitiert sie vom Euro, der deutsche Exporte billiger macht. Wenn heute die D-Mark wieder eingeführt würde, so sagen Experten, müsste sie gegenüber dem Euro drastisch aufgewertet werden. Entsprechend teurer wären deutsche Waren im Ausland. Auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank nutzt vor allem Deutschland. Weil deutsche Staatsanleihen als sichere Anlage gelten, spart der Fiskus jedes Jahr Milliarden - denn alte Schulden können durch neue, geringer verzinste Anleihen ersetzt werden. Exportorientiertes Geschäftsmodell in Gefahr? Doch wie lange kann der Wirtschaftsboom angesichts zunehmender Ungleichheit noch dauern? Ökonomen meinen: Dem Globalisierungsgewinner Deutschland könnte bald die Puste ausgehen. Denn nicht nur hierzulande nimmt die Kritik der Bevölkerung an einem ungebremsten Globalisierungskurs zu. Ausgerechnet die USA, das Vorzeigeland des Freihandels, scheint unter dem neuen Präsidenten Donald Trump auf Abschottung und Protektionismus zu setzen. Für einen ähnlichen Kurs steht in Frankreich Marine Le Pen, die bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen 34 Prozent der Stimmen bekam. Sollte es zu einer Globalisierungspause kommen, dann trifft das vor allem das exportorientierte Geschäftsmodell der deutschen Unternehmen. Eben jene, die heute noch die größten Gewinner des Aufschwungs sind.

In der Dokumentation kommen neben zahlreichen Experten zu Wort: Peter Hartz, nach dem die Arbeitsmarktreformen der frühen 2000er Jahre benannt sind, sowie Hans Eichel, von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister und sein Nachfolger Peer Steinbrück, von 2005 bis 2009 Bundesfinanzminister.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 19.07.2018 um 23:00 Uhr auf PHOENIX.