Land im Gezeitenstrom
Von Amsterdam nach Zeeland
Zeeland heißt auf Deutsch Meerland. Nirgendwo sonst ist der Kampf gegen die Gewalten des Meeres so augenfällig wie hier, der Triumph menschlichen Erfindergeistes über die Kräfte der Natur. Südholland ist auch die Heimat weltberühmter Künstler, wie Rembrandt und Vermeer, das Land der endlosen Tulpenfelder, der Trachten, Fischer und Windmüller. In Zeeland sind die Niederlande zu Ende - ihre moderne Geschichte fängt hier an.
Gigantische Küstenschutz- und Sperrwerke, Kanäle und Schleusen sind die Wahrzeichen Zeelands, der südwestlichen Provinz der Niederlande. Von Amsterdam aus folgt der Film der südholländischen Nordseeküste bis in das vielarmige Mündungsdelta von Rhein, Maas und Schelde. Ein dicht bewohntes Gebiet, jahrhundertelang bedroht vom Hochwasser der Flüsse und der Nordseeflut. Um hier zu siedeln, musste entwässert werden. Noch heute drehen sich in Kinderdijk die Flügel von 19 Poldermühlen im Wind, so wie vor 300 Jahren. Sie pumpen das Wasser aus dem flachen, nassen Land, ein UNESCO Weltkulturerbe.
Als "Achtes Weltwunder" bezeichnet der Volksmund die Sturmflutwehre der Deltawerke, errichtet nach der schweren Flut von 1953. Fast 50 Jahre haben die Niederländer an diesem einzigartigen Schutzsystem gebaut. Mit ihm ist die stürmische Nordsee quasi ausgesperrt. Nicht aber die Kraft der Gezeiten: im Nationalpark "De Biesbosch", 80 Kilometer landeinwärts, steigt und fällt das Wasser mit der Tide. Er ist das größte Süßwassergezeitengebiet der Welt. Nebenan ziehen wandernde Sanddünen noch heute mitten durch das Land.
Vielgestaltig und farbenfroh ist die südholländische Gezeitenküste, hier blühen die meisten Tulpen. Ob als Zwiebel oder blau ausgefranst, die Blumenproduktion ist rekordverdächtig, so wie ihre Bedeutung für die Wirtschaft. Blumen, Drehorgeln, Wasserbauer und Mühlen: das ist Holland. In Schiedam gibt es die höchsten traditionellen Windmühlen der Welt. Sie mahlen Getreide für den berühmten Jenever, seit vielen Hundert Jahren, damals, als Rembrandt seine Farben vom Müller kaufte. In Leiden hat er gelebt, nicht weit von Delft, wo Vermeer sein Atelier hatte und wo noch heute das "Delfter Blau" überall präsent ist.
Ganz im Süden ist Zeeland zusammengewachsen aus vielen Inseln. Walcheren ist eine von ihnen, mit eigenwilligen Trachten, reitenden Ringstechern, den einst großen Orten Middelburg und Vlissingen und alten Segelschiffen, die übersetzt "Hocharsch" heißen. Doch nicht alle Inseln und Orte haben Stürme und Fluten überlebt: Oud-Rilland versank im Gezeitenschlick und taucht gerade wieder auf, in der Westerschelde, von Ebbe und Flut angehoben.
In der Osterschelde ist Erntezeit: Herz- und Miesmuscheln stehen auf dem Speiseplan und eine veredelte Auster, gewachsen dort, wo die Filmreise entlang der niederländischen Küste zu Ende geht. Eine Reise mit den Gezeiten, zwischen Ebbe und Flut. Immer auf der Spur kleiner und großer Geschichten vom Leben mit dem Meer und dem Kampf gegen seine Gewalten. Ein gefahrvolles aber auch reiches Leben, das die Menschen überall an der Nordseeküste geprägt hat, von Dänemark bis nach Belgien, und das sie bis heute verbindet. Film von Manfred Schulz
Die Sendung wird ausgestrahlt am Montag, den 21.05.2018 um 15:00 Uhr auf NDR.
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